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Verboten war in Österreich, und zwar ab 1762, die anonyme deutsche Über-
setzung, die 1759 in Kopenhagen erschienen war.456 Parallel dazu gab es in
Österreich aber eine in Wien 1764 erschienene Ausgabe,457 die, weil sie von den
anstößigen Stellen gereinigt war, zugelassen wurde – damit nicht genug, sie
wurde sogar als geeignet für das Hoftheater befunden. Im Folgenden verglei-
chen wir diese beiden Ausgaben. Ganze Szenen bleiben in der Wiener Ausgabe
weg, nicht zuletzt, weil eine Figur (Lucina) gänzlich aus dem Spiel genommen
wird. Diese Maßnahme ist nicht unbedingt als Akt der Zensur zu verstehen,
sondern eher als Anpassung an die Anforderungen der Bühne. Auch manche
Umstellungen von Szenen dienen eindeutig dramaturgischen Zwecken und
nicht der Zensur. Bei Fielding werden Stedfasts Töchter am Ende wunschgemäß
verheiratet, in der Wiener Ausgabe heiratet zudem er selbst die ehemalige Gelieb-
te Plotwell, der fröhliche Hochzeitstag bringt also noch eine dritte Heirat mit
sich. Möglicherweise sollte damit Maria Theresias ,Matrimoniomanie‘ gehul-
digt werden.458
Betrachtet man die gestrichenen oder veränderten Passagen, so sind zwei Moti-
ve für die Eingriffe zu beobachten. Wenig überraschend ist, dass die mangelnde
Moral der Protagonisten den Hauptgrund für Eingriffe darstellte; in zweiter Linie
wurde von dem Bearbeiter die Religion geschützt. Besonders anstößig waren
offensichtlich wie zuvor in London die Figuren der Kupplerinnen. Schon das
Wort wurde in der österreichischen Übersetzung vermieden: Statt einer „Kuple-
rinn“459 ließ man in Wien eine „Aufwärterin“460 auftreten. Der Rotstift wurde
gezückt, wenn der rake Millamour seine libertine Philosophie in ein Lob der
Kupplerin Useful verpackt, und dies noch dazu im Vergleich mit der legitimen
Ehe:
Millam. […] Sie haben mehr gepaaret, als das Gesetz der Unterhaltung461 geschieden
hat, und Sie haben mehr ohne Erlaubniß miteinander zu Bette geschicket, als irgend
ein Priester in Fleet.
456 Der Hochzeitstag ein Lustspiel wie es auf dem königlichen Theater in Drury-Läne ist aufge-
führet worden, und Eurydice ein Nachspiel, so wie es ist ausgepfiffen worden auf dem könig-
lichen Theater in Drury-Läne beyde aus dem Englischen des Herrn Henry Fielding übersetzt.
Kopenhagen, auf Kosten der Rothenschen Buchhandlung 1759.
457 Der Hochzeittag, oder der Feind des Ehestandes. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen, nach dem
Englischen des Henry Fielding. Aufgeführet auf der Kayserl. Königl. Privilegirten Schaubühne
zu Wien. Wien, zu finden im Kraußischen Buchladen, nächst der Kaiserl. Königl. Burg 1764.
458 Der Terminus wurde allem Anschein nach von George Sand geprägt, vgl. ihren Roman Consu-
elo – La Comtesse de Rudolstadt, dazu auch oben, S. 348.
459 Der Hochzeitstag 1759, S. 3.
460 Der Hochzeittag 1764, S. 5.
461 In der Vorlage: „Alimony Act“ (Fielding: Miscellanies, vol. 2, S. 72).
6.10. Englische Theaterstücke 401
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510