Page - 444 - in Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
Image of the Page - 444 -
Text of the Page - 444 -
ohne Anstoß in Ansehung der Person aufgeführt, weil sie eigentlich keine wah-
ren Mönche sind. Nur muß ihre Handlung nichts anstößiges gegen die Religion
enthalten. Wahre kristliche Eremiten oder Einsiedler und Klausner kommen
vielfältig in erlaubten Stücken vor; nur muß ihre Handlung ernsthaft seyn, ihre
Kleidung muß keiner bekannten Ordenskleidung gleich sehen, auch müssen sie
mit keinen Rosenkränzen oder dergleichen religiösen Insignien behangen seyn,
auch vor keinen kristlichen Altären, welche gar nicht auf das Theater gehören,
knieen oder religiöse Handlungen verrichten etc.
Die Kleidungen der Eremiten sind ideal, meistens von grauer Farbe.
d) Kristliche Bethbrüder oder Bethschwestern, überhaupt religiöse Gleißner kön-
nen als durchgeführte Hauptkaracktere in keinem Falle auf’s Theater gebracht
werden, weil ihre äusseren Handlungen und Geberden zu nahe an jene der wah-
ren Frömmigkeit gränzen, und diese leztere dadurch zugleich lächerlich gemacht
werden könnte. So hat nicht einmal die protestantische Bethschwester vom Gel-
lert auf einem protestantischen Theater jemals erscheinen dürfen. Man duldet
frömmelnde Tanten und andere solche Matronen auf dem Theater, nur müssen
sie nicht Bethbücher aufs Theater bringen oder auffallende Andachtsübungen vor
dem Publikum äussern; obschon sie von den ehrbaren Zeiten ihrer Jugend und
von den gottlosen des jetzigen Zeitalters, in welchem sie älter geworden, auch von
ihren Betrachtungen und milden Wercken mit Mässigung reden können.
Da auch keine protestantische geistliche Person aufgeführt werden darf, so wur-
de in dem Mädchen von Marienburg vom Kratter der Pastor in einen Schulreck-
tor verwandelt.
e) Es kann kein Sujet aufgeführt werden, dessen Hauptinhalt die kristliche Tole-
ranz oder überhaupt die Gleichgültigkeit der verschiedenen Gottesdienste wäre;
solche Gegenstände sind auf dem profanen Theater anstössig.
f) Die Discussionen über die Rechte des römischen Hofes und der weltlichen
Fürsten, oder die ultramontanischen Grundsätze würden ebenfalls anstössig seyn,
wenn sie dramatisch behandelt würden.
g) Theoretische Irrthümer wider die natürliche oder kristliche Religion, das ist
die durchgeführten Karacktere von Atheisten, Freygeistern, Freydenkern, Deis-
ten, oder auch von Irrlehrern, Ketzern, Seckten, wie sie immer Namen haben
mögen, können nie in dieser ihrer Eigenschaft aufs Theater gebracht werden,
wenn sie nemlich ihre Meinungen zum Gegenstand ihrer Handlungen machen.
Juden als Negozianten oder Quacker als glatte steiffe Kerle werden ohne Anstoß
aufgeführt, wenn ihre Handlung sonst zulässig ist und ihre Religionstheorie
nicht zum Gegenstand gemacht worden ist.
Der Tadel wider die Ausbreitung der kristlichen Religion durch Waffen und Ver-
folgungen kann ebenfalls kein erlaubter Stoff seyn; daher sind die Stücke, die
von Kreuzzügen handeln und diese Tadelsucht enthalten, wohl in Acht zu nem-
men.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
444 Anhang
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510