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ein grosser Vorwurf gemacht wird, sondern alles ganz gelinde abgethan wird.
Solche Stücke sind unzulässig.
Der Docktor Faust vom Weidmann ist auch von darum anstössig, weil der Engel,
der darin vorkömmt, viel weniger Verstand in seinen Reden wider den Verfüh-
rer zeigt, als Mephistopheles, der viel mehr Witz in seinen Gegengründen für
das Laster äussert.
5to. Ist zu mercken, daß auf dem reinen französischen Theater alle Ehen durch
Notare mittelst Schliessung der Kontrackte zu stande kommen; von einer Copu-
lation oder priesterlichen Einsegnung war nie die Rede. Von dieser Strenge wird
in Deutschland abgegangen, weil in Deutschland nicht alles katholisch ist, und
die Protestanten die Ehe für kein Sakrament betrachten. Die meisten und
geschicktesten dramatischen Schriftsteller sind Protestanten, die also ohne
Anstand ihre Theatralehen durch die priesterliche Einsegnung beschliessen.
Dadurch ist geschehen, daß statt der französischen Notare die Ausdrücke Trau-
ung, Trauen, die Braut zum Altar führen, den ewigen Bund beschwören etc. ohne
Anstoß auch in katholischen Staaten auf dem Theater rezitirt wurden.
Die Worte: priesterliche Einsegnung oder das Band knüpfen durch den Priester
werden aber in Theaterstücken nicht passirt, sondern es wird allzeit dafür, wie
bereits erinnert ist, gesezt: das unauflösliche Band knüpfen, antrauen, die Trau-
ung vornehmen, gesezmässig verbinden, zum Altar führen etc.
6to. Es ist aber schon erinnert worden, daß philosophische Winckelehen nie zuläs-
sig sind. Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, die auf dem Theater
als durch Liebe verbunden erscheinen, müssen wenigstens heimlich, aber recht-
mässig verbunden seyn. Die wilde Ehe hat nie statt. Es fallen auch jene Reden
und Ausdrücke weg, welche dergleichen in Angesicht des Himmels durch die
natürliche Harmonie der Herzen geschlossene Verbindungen preisen, sie oft gar
dem zwangvollen Ehestande, der manchmal gar getadelt wird, vorziehen. Es
kann nicht gestattet werden, daß von der Trauung als einer blossen Zeremonie,
Kirchengebrauche gesprochen wird, dieses ist anstössig; allzeit muß es heissen:
ihr sollt feyerlich getraut oder gesezmässig verbunden werden, je nachdem die
Lage der Sache die Ausdrücke oder Redensarten fordert.
7to. Ist gleichfalls schon oben vom Selbstmorde etwas erwähnet worden. Hier ist
in Ansehung des Dialogs noch zu erinnern, dass oft kaltblütige Selbstmorde ver-
sucht und durch die Dazwischenkunft eines Dritten verhindert werden. Dagegen
ist im allgemeinen nichts zu erinnern; wenn aber Deliberationen vorausgehen, so
ist darauf zu sehen, daß der Unternehmer des Selbstmordes in seinem raisonne-
ment nie für die Sterblichkeit der Seele entscheide; wenn ihm so was einfällt, muß
er für die Unsterblichkeit der Seele entscheiden und für das künftige Schicksal
nicht fühllos sein, sonst ist es wider die Religion anstössig, ausser er würde auf
der Stelle entweder durch sich selbst oder von einem andern widerlegt.
Noch anstössiger wird die Sache, wenn solche Selbstmörder wie reuige Büsser
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452 Anhang
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510