Page - 457 - in Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
Image of the Page - 457 -
Text of the Page - 457 -
sie auch ehemals in Wien aufgeführt wurden, nicht aufs Theater bringen zu las-
sen. Auch sind Stücke von ältern Zeiten allzeit zu revidiren, sie mögen in Wien
gedruckt oder aufgeführt worden seyn oder nicht; denn sie werden auch hierorts
nach den veränderten Zeitumständen nicht mehr aufgeführt. Z.
B. Johanna, Köni-
gin von Neapel [von Karl Friedrich Sannens], obwohl das Stück ehemals in Hun-
garn mit Beyfall aufgeführt wurde, und obwohl das Stück für die Johanna am
Ende gut ausgehet, so taugt es dermal nicht viel, weil sie im Stücke als gefangene
Verbrecherin erscheint, die gerichtet wird. Auch das Stück: Der Deutsche und
der Muselmann [von Karl Friedrich Sannens] ist nicht mehr wohl aufführbar.
Es gibt Authoren, die in ihren Stücken den Regenten die besten Gesinnungen in
den Mund legen, vermöge welcher sie den Druck der Unterthanen verwerfen,
eingestehen, daß sie dem Volcke alles, das Volck ihnen aber nichts schuldig sey.
Es gibt andere, die Gutsherren aufführen, die die Bedrückung von Seite ihrer
Beamten tadeln und als menschenfreundliche Herrn vorgestellt werden; weil
diesen Authoren nur darum zu thun ist, das Publikum mit den Bedrückungs-Ide-
en zu familiarisiren, das heißt: es zu electrisiren.
Dieses geschiehet auch dadurch, wenn epicureische Vergehen vorgestellet wer-
den, welche ohne Ahndung, ohne Beschämung oder grosse Reue vorgebracht,
sondern mit Schonung behandelt und leicht verziehen werden. ....
Der Epicureismus ist eine Favorit-Materie gewisser Mode-Authoren; daher pfle-
gen sie die Freuden der sinnlichen Liebe sehr heiß zu beschreiben. Diese Liebe
wird als die göttliche Quelle aller Tugenden beschrieben; mit einem Worte, man
kanonisirt die Neigungen der Natur und die sogenannte Vernunft, um die posi-
tive Religion verdächtig und entbehrlich zu machen. Beywörter vom religiösen
Gebrauche werden zur Schilderung derselben übertragen und auf die Natur
angewandt, um das Ehrwürdige auf das leztere zu übertragen; daher heißt es oft
die: Würde der Natur, heilige Natur oder heilige Triebe der Natur; Vergnügun-
gen, Freuden, heissen Seeligkeiten. Obwohl man den letzten Ausdruck nach
Umständen manchmal stehen lassen kann, so ist doch überhaupt darauf bedacht
zu nehmen, um den Geist des Authors zu kennen.
Menschenwürde und Menschenrechte werden auch öfters praeconisirt; vormals
hieß es: edle Gesinnung, Nächstenliebe und Liebesdienste (officia humanitatis).
Vermöge der Religion heiliget die kristliche Tugend die Menschen, weil sie durch
diese Spiegel der göttlichen Vollkommenheit werden. Ihn soll aber dermal die
Natur und ihre Triebe heiligen, mit einem Worte: das Absehen ist, die Religion
und mit ihr die jetzigen Verfassungen entbehrlich zu machen. Dahin zielen auch
die philosophischen Ehen, die ohne gesetzlichen Bund vor sich gehen.
Diese Bemerkungen dienen einem Zensor zur Belehrung, um sich nach Umstän-
den der Zeit darnach benehmen zu können. Gewisse Regeln im detail können
nicht wohl gegeben werden. 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 457
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510