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nannten Vehmgerichten und heimlichen Rächern der von der unterdrückenden
Gewalt mächtiger Vasallen und Gutsherrn begangenen Laster aufs Tapet bringt,
um zu zeigen, daß es Zeiten gab, wo geheime Orden die Laster der Grossen mit
dem Dolche bestrafen mußten.
Diese Stücke können nicht ohne Unterschiede verbothen werden; sie erfordern
aber doch die Aufmercksamkeit der Zensur, um nach allen Umständen damit
vorzugehen.
Das Theater ist das wahre vehiculum, wodurch die Modephilosophie ihre Grund-
sätze in Umlauf zu bringen sucht, denn ihre Absicht ist Verminderung der Kir-
chen und Vermehrung der Theater, wenn auch das Kammeramt dieser oder jener
l.
f. Stadt dadurch leiden müßte. Aus diesem Grunde entstunden so viele Haus-
komödien, die verbothen wurden, und so viele privatgesellschaften in manchen
Ortschaften auf dem Lande unter dem Vorwande, das Armeninstitut dadurch
zu unterstüzen, wovon meistens Geistliche die Directeurs sind.
Dem Unterzeichneten haben auch die auf dem Lande herumwandernden Trup-
pen, welche unmöglich studierte Stücke aufführen und unter keiner wahren
Aufsicht stehen können, nie gefallen. Es ist schon ein Beyspiel vorhanden, daß
eine solche Truppe den Stephan Fadinger [von Paul Weidmann] oder den Auf-
ruhr der Bauern in Oberösterreich und den sogenannten bayerischen Hiesel
[von Christian Roßbach], in welchem ein Amtmann des Fürsten von Dillingen
als Bauernschinder mißhandelt wird, aufgeführt und braf: „es lebe die Freiheit
und Gleichheit“ dabey gerufen hat.
Der Unterzeichnete wünscht, daß die bisher angeführten Bemerkungen ausser
einigen hin und wieder eingestreuten festen Grundsätzen nur als Fingerzeige
und Nachweisungen angesehen werden möchten, welche einem Theatralzensor
in Hungarn mehr zum Leitfaden, als zum unverbrüchlichen Gesetze gemacht
würden, damit er nicht auf einer Seite zu furchtsam werde, indem er auf der
andern auch gegen Theatralunternehmungen in Passirung unbedencklicher Din-
ge gerecht seyn muß. Jedes Stück ist ein Ganzes, das zusammenhängt, und die
Fälle so mannichfaltig, daß man in diesem Fache nichts genaues für alle Fälle
bestimmen kann. Zeit und Ortsumstände sind überall in Erwegung zu ziehen,
und im Ganzen bleibt immer viel der guten Beurtheilung überlassen.
Ein Theaterzensor wird, wenn er, wie von dem Unterzeichneten angenommen
und nicht gezweifelt wird, seinen Souverain, und die Verfassung, worin er sich
befindet, liebt, mithin ein ehrlicher Mann ist, in gegenwärtigen Zeitumständen
viele Gelegenheit haben, sich um den Staat und die Religion, ja um alle, die etwas
zu verlieren haben, verdient zu machen. Von dieser Wahrheit ist der Unterzeich-
nete durch seine mehr als 25jährige unentgeldlich durchwanderte Theatral-Lauf-
bahn vollkommen überzeugt worden. Er wünscht, daß ein solcher Zensor gehö-
rig geschützt sey, und daß ihm ausser den Kabalen des Theaters und dem
manchmaligen Ungestüme der Authoren nie eine Theatraldirecktion vom erheb-
2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 459
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510