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lichen Ansehen, welche manchmal durch kleine Geschöpfe in die Bewegung
gesezt werden kann, entgegen stehen möge.
Der Unterzeichnete mußte sich bei der höchstseelg. Kaiserin Maria Theresia
Maj. beynahe alle 2
Monathe periodisch über vorgekommene Anstände auswei-
sen, so daß ihm, als der Höchste Hof nach der gräfl. Koharischen Pachtung das
Theater selbst übernahm, kein anderes Mittel, sich sicher zu stellen, übrig blieb,
als der Monarchin über jedes zum Aufführen vorgekommene Stück im voraus
eine ausführliche analyse mit den Gründen der Beurtheilung durch einen gewis-
sen noch lebenden alten Minister überreichen zu lassen. Jeder analyse war die
Moral des Stückes mit der Anwendung auf die Regenten Moral beygefügt. Die-
ses wurde durch mehrere Jahre bis zu ihrem höchtseeligen Hintritt fortgesetzt.
Es hatte die Folge, daß, als im Jahre 1779 in einer gewissen Angelegenheit die
guten Grundsätze des Unterzeichneten in ein zweifelhaftes Licht gesezt werden
wollten, die Monarchin den sehr angesehenen Zweifelsteller mit dem Bedeuten
zurecht wies, daß Allerhöchstdieselbe aus denen von dem Unterzeichneten von
Zeit zu Zeit erhaltenen und mit vielen Vergnügen gelesenen Bögen viel nützli-
ches gelernt und dieserwegen offt gewünscht hätte, solches in ihrer Jugend schon
gewußt zu haben, um ihre Völcker noch glücklicher, als sie gekonnt hätte, zu
machen. Der verstorbene Prälat von Braunau mußte damals auf allerhöchstes
Geheiß die Bekanntschaft des Unterzeichneten machen und ihm obige aller-
höchste Aeusserung hinterbringen, von welcher zwey noch lebende Minister
ganz gut unterrichtet sind.
Diese in ihrer Art einzige, die Verdienste des Unterzeichneten weit übersteigen-
de Belohnung hat einen um so tieferen Eindruck in ihm zurücklassen müssen,
als sie nachher noch mit dem Versprechen einer andern Belohnung nebst der
Abnahme des kummervollen Amts begleitet war, welches aber wegen des bald
erfolgten allerhöchsten Hintritts nicht in die Erfüllung kam. Des Kaisers Joseph
des 2ten Maj. wollten nachher den Unterzeichneten auch nicht davon entledigen;
vielmehr wurde derselbe mit der Zensur aller deutscherbländischen Theater
beladen, welche er verschiedene Jahre nebst allen hiesigen versah, worüber er
die geführten Protokolle noch besitzt.
Die Beschwerlichkeit der Theatral-Zensur war unter der höchstseel. Kaiserin
um so größer, als diese grosse Fürstin bekanntermassen nach den Grundsätzen
ihres damaligen Gewissensrathes, des Prälaten von St.
Dorothe, wider die Zuläs-
sigkeit der Theater überhaupt eingenommen war. Der Unterzeichnete hat Gele-
genheit gehabt, diesen Anstand in seinen Bögen zu heben.
Bekanntermassen war die französische Kirche allzeit wider die Zulässigkeit des
Theaters gestimmt. Selbst der bekannte Rousseau war dawider, und zwar aus
dem Grunde, weil die natürliche Malitz der Menschen allzeit mehr geneigt sey,
das Böse aus den Vorstellungen herauszuziehen als das Gute; indem uns Men-
schen die witzige Bosheit des Wolfs in der Fabel allzeit mehr gefalle als die
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460 Anhang
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510