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Zudem sei im Besonderen auf das von der »Forschungsplattform« heraus-
gegebene »Jelinek-Handbuch« verwiesen â eine erste umfassende Gesamtdar-
stellung von Jelineks Leben, Werk und Rezeption, die in der Reihe »Personen-
handbĂŒcher« des Metzler Verlags erschienen ist : Neben BeitrĂ€gen, die sich mit
biografischen und kĂŒnstlerischen Aspekten auseinandersetzen, bietet das Hand-
buch lexikonartige Artikel zu einzelnen Werken, deren formale und inhaltliche
Aspekte jeweils kurz verhandelt werden. DarĂŒber hinaus wird ein sehr kompak-
ter Ăberblick ĂŒber die Forschungslage vermittelt.23
Das Handbuch stellt eine gut strukturierte und literaturwissenschaftlich
fundierte Ăbersicht ĂŒber die Erkenntnisse, Entwicklungen und Modifizierun-
gen der Jelinek-Forschung der vergangenen Jahrzehnte dar. Allerdings wird
auch hier mitunter mangelndes historisches Bewusstsein deutlich, etwa wenn
Sabine Treudes Beitrag zu Jelineks groĂem Roman »Die Kinder der Toten« jeg-
lichen Hinweis auf die österreichische Opferthese vermissen lÀsst : So schreibt
Treude zwar von der VerdrÀngung des Holocaust und fehlender Trauerarbeit in
der Zweiten Republik Ăsterreich24, die aber in Bezug auf alle drei Nachfolge-
staaten des nationalsozialistischen Deutschen Reichs konstatierbar sind, wenn
auch in unterschiedlichem AusmaĂ. Doch der Opfermythosbegriff ist mit dem
PhÀnomen der VerdrÀngung nicht gleichzusetzen, denn er meint nicht nur die
Aussperrung gewisser Sachverhalte aus der Erinnerung, sondern auch deren Um-
schreibung. Die Opferthese exkludiert jegliches Bekenntnis zur Mitschuld. Ob-
wohl also mit dem Handbuch tatsĂ€chlich GroĂartiges geleistet wurde, bleibt das
Desiderat einer fundierten zeitgeschichtlichen Perspektivierung innerhalb des
SekundÀrwerks vorerst bestehen.
Neben den Veröffentlichungen des Forschungszentrums und der Forschungs-
plattform mĂŒssen im Besonderen die Arbeiten von BĂ€rbel LĂŒcke hervorgeho-
ben werden, etwa »Gespenster« aus dem Jahr 2007, die erste gröĂere Publikation
zu Jelineks Internet-Privatroman »Neid« mit dem Titel »www.todsuende.com â
Lesarten zu Elfriede Jelineks âșNeidâč« (als fĂŒnfter Band des Forschungszentrums
2009 erschienen) oder »Elfriede Jelinek. Eine EinfĂŒhrung« aus dem Jahr 2008,
in welchem LĂŒcke Jelineks Textherstellungensverfahren im Sinne Jacques Der-
ridas als Ăsthetik des »Zugleich und des Zwischen«25 beschreibt und im An-
schluss eine Werkschau mit exemplarischem Charakter anbietet (darunter auch
eine etwa zehnseitige und daher sehr komprimierte Auseinandersetzung mit
Jelineks Opus Magnum »Die Kinder der Toten«.)
23 Zusammenfassend dazu GĂŒrtler, Forschung, S. 356â366.
24 Vgl. Treude, Die Kinder der Toten, S. 113. Ăhnliche Formulierungen finden sich auch in dem
Beitrag von Monika Meister : Vgl. Meister, BezĂŒge zur Theatertradition, S. 69.
25 LĂŒcke, Elfriede Jelinek, S. 11. Vgl. dazu auch GĂŒrtler, Forschung, S. 356. 19
Forschungsstandâ |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319