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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Verdacht der Mythisierung bestehen. Jelinek, die sich schreibend am »mĂŒtos«265 abarbeitet, ist selbst zum Mythos geworden. Dass dies passiert ist, bestreitet die Autorin auch gar nicht, lehnt jedoch die EinschĂ€tzung ab, dass dies mit Vorsatz passiert wĂ€re. Gerade sie habe doch immer die Wahrheit hinter dem Schein hervorholen wollen.266 Das von Mayer  und Koberg mit zahlreichen Details ausgestattete Port- rĂ€t entspricht in weiten Teilen der seit dem Erfolg von »Die Klavierspielerin« tradierten Legende. In dieser gibt es »einen mit Goethe-Gedichten genĂ€hrten SĂ€ugling namens Elfriede, eine kalte und grausame â€șKunsteislaufmutterâ€č, einen geisteskranken Vater, einen frĂŒhen Nervenzusammenbruch der Autorin und schließlich eine aufgeklĂ€rte Ehe mit Gottfried, dem Informatiker«267. In dieser Legende wird die Geschichte eines MĂ€dchens namens Elfriede er- zĂ€hlt, das 1946 als Tochter von Ilona268 und Friedrich Jelinek in MĂŒrzzuschlag geboren wird und in Wien aufwĂ€chst. Von frĂŒhester Kindheit an ist es der mĂŒt- terlichen Dressur unterworfen und wird schon als kleines Kind zum Ballett-, Musik- und Fremdsprachenunterricht geschickt. Der Vater, ein atheistischer Jude, hat der nationalsozialistischen Vernichtung entkommen können, weil er als Chemiker kriegswichtigen Dienst bei Semperit in Traiskirchen geleistet hat- te.269 Sprachlich ist der Vater »Àußerst eloquent«, gibt »Ironie und Sarkasmus«270, mit welchen er sich seiner dominanten Frau gegenĂŒber behauptet, an die Toch- ter weiter, die sich an die Sprache wie an einen Lebensretter klammert : »Ich glaube, daß mir die Sprache das Leben gerettet hat gegen eine drĂŒckende und auch geistig verwirrte mĂŒtterliche AutoritĂ€t. Es gab einen Vater, der mich nicht geret- tet hat vor dieser Mutter, aber er hat mir wenigstens die Sprache gegeben, so daß ich subversiv, mit Sprache, in einer Weise untendurch tauchte, wo mir die AutoritĂ€t nicht folgen konnte.«271 Angetrieben von seiner Frau arbeitet der Vater als ĂŒber 50-JĂ€hriger, neben sei- nem Beruf als Oberstadtbaurat, mit grĂ¶ĂŸtem Unwillen an einer Dissertation in organischer Chemie. Die Arbeit fĂ€llt ihm schwer, die Eltern streiten viel. Mit- 265 Jelinek, Die endlose Unschuldigkeit, S.  49. 266 Vgl. Winter, GesprĂ€ch mit Elfriede Jelinek, S.  10  f. 267 Doll, Mythos, Natur und Geschichte, S.  10 268 Die Mutter hieß eigentlich Olga Ilona Jelinek, wurde aber stets mit dem zweiten Vornamen angesprochen. 269 Die »Semperit Gummiwerke« hatten wĂ€hrend des Kriegs Laufrollen fĂŒr Panzerfahrzeuge und Flugzeugreifen produziert. Vgl. Mayer/Koberg, Ein PortrĂ€t, S.  121. 270 Ebd., S.  124. 271 Jelinek, zitiert nach : Ebd. 57 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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