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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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einnahmten Sprache dar. Offenbar wird er durch die Widerspiegelung und Ver- fremdung bestimmter Sprachgebrauchsformen, die einen Mythos manifestieren, der in Bartheschem Sinne nur als Entscheidung bewusst handelnder Menschen zu einer ihnen dienlichen Interpretation der Geschichte verstanden werden kann  – als nationaler Konsens, der in der Sprache der Medien, der Politik und der österreichischen Soziolekte seit 1945 festgeschrieben ist.430 Schon in »bukolit«, ihrem ersten Roman, thematisierte Jelinek das Fortleben einer deutschen »VolksempfĂ€ngerkultur«431 und beschĂ€ftigte sich auch in »wir sind lockvögel baby !« mit dem medialen Nebeneinander von amerikanischer Popkultur und faschistoider Heimat- und VolkstĂŒmelei.432 Sprachlich orien- tiert sich das »lockvögel«-Buch an den experimentellen Mitteln der Wiener Gruppe : Das Schriftbild ist von Kleinschreibung, dem Verzicht auf Interpunk- tion und der Eindeutschung von Fremdwörtern geprĂ€gt. Auch die Verwendung des Dialekts als Mittel der phonetischen Verfremdung ist dem methodischen Repertoire der Wiener Gruppe entlehnt.433 Einen Inhalt wiederzugeben, ist schwierig : In »thrillerartigen Plots«434 tauchen die Beatles, diverse Comicfigu- ren und Filmhelden auf, daneben der OSTERHASE und der WHITE GIANT aus der Waschmittelwerbung. Das Buch »invertiert die heile manichĂ€ische Welt der Comics, um deren implizite Ideologie offenzulegen«435. So versuchte Jelinek mit starkem Bezug zu Barthes und der sinngemĂ€ĂŸen, mitunter sogar wörtlichen Wiedergabe seiner Thesen in ihren frĂŒhen Tex- ten vorrangig die zeitgenössische Trivialkultur auf die in ihr virulente Gewalt durchsichtig zu machen.436 Was die Rezeption ihrer frĂŒhen Prosa aus heuti- ger Sicht allerdings erschwert, sind die darin zahllos enthaltenen Anspielungen auf damals aktuelle TV-Serien, Filme, Trivialromane, Comics, Musikidole und Werbeslogans, die von nachgeborenen Generationen nicht dementsprechend decouvriert werden können. Der Zusammenhang zwischen Medien- und Fa- schismuskritik blieb (vermutlich auch deswegen) in der Jelinek-Rezeption lange unbemerkt.437 430 Vgl. Kapitel  1.4.4 dieser Studie. 431 Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S.  228. 432 Vgl. ebd. 433 Vgl. Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  145. Vgl. auch Doll, Mythos, Natur und Geschichte, S.  13. 434 Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S.  145. 435 Ebd. 436 Vgl. Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 entschlossen«, S.  229. 437 Eine Neubewertung des FrĂŒhwerks leistete erstmals Evelyn Annuß in ihrer Magisterarbeit von 1994 : Annuß, Wa/h/re IntertextualitĂ€t. Vgl. Janz, »Die Geschichte hat sich nach 45 ent- schlossen«, S.  227  f. 81 Poetologische EinfĂŒhrung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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