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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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nicht hinterfragt, sondern zu seinem persönlichen Vorteil auszunutzen trachtet. An der Spitze dieser übergeordneten Pyramide steht die nationalsozialistische Führungselite, an der Spitze der familieninternen Hierarchie steht Schorsch. Das hier von der Autorin vorgeführte familiäre System widerspiegelt somit im Kleinen das patriarchale und hierarchische Organisationsprinzip faschistischer Parteien und Systeme, wie es der deutsche Historiker Wolfgang Wippermann Jahre später beschrieben hatte (»…  hierarchisch nach dem Führerprinzip ge- gliedert… Betonung des jugendlichen und vor allem männlichen Charakters… pseudoreligiöse Ausrichtung…«  – wobei hier die Kunst als »Pseudoreligion« missbraucht wird  – usw.).77 Schorsch ist schließlich derjenige, der im Allegorischen Zwischenspiel so lange auf den Alpenkönig, den vermeintlichen »Vaterlandsverräter«78, der als Abgesandter des örtlichen Widerstands die bestehende hierarchische Ordnung bedroht, einschlägt, bis dieser tödlich verletzt zusammenbricht. Er begeht damit ein Kapitalverbrechen, für das er kein Unrechtsbewusstsein empfindet, weil er es im Sinne des Regimes begangen hat. Faschistische Systeme sind zeithistorischen Theorien zufolge sehr stark da- durch gekennzeichnet, dass sie Gewalt als legitimes Mittel zur Abwehr von Feinden und Fremden einsetzen (»… im Mittelpunkt sowohl der Propaganda wie der Politik«79 steht die Gewalt), was im Inneren den Zusammenhalt festi- gen soll. Die Verantwortung für verbrecherische Taten kann an politische Ob- rigkeiten abgegeben werden, die exekutierenden Personen können sich auf die »Pflichterfüllung« berufen (ein im Zusammenhang mit der Waldheim-Affäre in Österreich viel diskutierter Begriff).80 Im übergeordneten Kontext basierte der Opfermythos auf eben diesem Prinzip, indem die Zweite Republik als ei- ner der drei Nachfolgestaaten des Deutschen Reichs die Verantwortung für die NS-Verbrechen »externalisierte«81 und an Deutschland abgab.82 Im »Burg- theater«-Stück externalisiert Schorsch die Verantwortung, indem er sie dem Regime überlässt, welches Kapitalverbrechen mit dem höheren Ziel der »End- lösung« zu rechtfertigen scheint. 77 Vgl. Wippermann, Hat es Faschismus überhaupt gegeben, S.  56. Vgl. auch Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 78 BT, S.  146 und S.  152. 79 Wippermann, Hat es Faschismus überhaupt gegeben, S.  56. Siehe auch Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 80 Vgl. Kapitel  1.4.4 dieser Studie. 81 Lepsius, Das Erbe des Nationalsozialismus, S.  250  f. 82 Vgl. Kapitel  1.4.4 dieser Studie. 122 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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