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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Schorsch : (…) I hab mi schlußendlich, fünf vor Zwölfe, no fotografieren lossen, wia i an Scheck fier die esterreichischen Patrioten unterschrieben hob. Olles fier Esterreich, domit es wieder rein und scheen werdet ! Besoffen hob i gsungen, es steht a klanes Ban- kerl im Helenental. Des homs net wolln, die Nazibagasch ! Ihr seht : Kleine Ursachen  – große Wirkung ! A tuli Idee wor des, gö jo !97 Eine politische Wandlung gesteht Jelinek ihrer Figur Schorsch nicht zu. Viel- mehr verkörpert diese einen Charakter, der sich nach allen Richtungen hin ab- sichern will, so wie er gleichzeitig auf den Alpenkönig einschlägt und ihm zehntausend Taler zusteckt.98 In »Burg theater« steht Schorsch für einen gewissenlosen Opportunisten, der 1941 ebenso begeistert nazifizierbar ist wie 1945 auch wieder entnazifizier- bar.99 Er ergreift die sich ihm bietenden Möglichkeiten ungeachtet der Kon- sequenzen für andere, gliedert sich in patriarchale, faschistische Hierarchien ein, ist gewaltbereit und ordnungsgläubig, begeht unter dem Deckmantel der persönlichen Unverantwortlichkeit Kapitalverbrechen und animiert andere zur Mittäterschaft. Als der unpolitische Künstler, als der er gerne gesehen würde, kann er demnach beim besten Willen nicht bezeichnet werden. Mit SCHORSCH hat Jelinek einen hohlen »Kadaver«100 ohne emotionale Regung und ohne Be- reitschaft und Möglichkeit zur Entwicklung auf die Bühne gebracht. 3.1.3.2 ISTVAN »Bin nur ein Komödiant !«101 Im Vergleich zu Schorsch wirkt Istvan eher passiv und leicht beeinfluss- bar  – ein Antiheld. Auch er fragt, vorgeblich seinen Leidenschaften zuliebe, nicht nach Hintergründen, sondern gibt die Verantwortung für sein Handeln und seine Entscheidungen im Zweifelsfalle lieber an den Bruder Schorsch ab (»Der Schorschi weiß schon, was gut is, fier uns und fier die ondaren.«102). Von sich selbst behauptet Istvan, nur ein »Komödiant«103 zu sein, wodurch er seine vermeintlich unwichtige Position unterstreicht, da Komödianten keine Entscheidungsträger, sondern nur Unterhalter sind. Auf diese Weise »ent-politi- 97 BT, S.  180. 98 Vgl. BT, S.  167. 99 Vgl. Löffler, »Erhalte Gott dir deinen Ludersinn«, S.  220. 100 Janz, Elfriede Jelinek, S.  38. 101 BT, S.  132. 102 Ebd. 103 Ebd., vgl. auch S.  137 und S.  169. 125 »Burg theater«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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