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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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vertraut«468. Natürlich erscheine uns nicht alles unheimlich, was neuartig sei, so Freud, denn die terminologische Beziehung der beiden Wörter sei »nicht umkehr- bar«469. Etwas müsse erst hinzukommen, was das Unbekannte zum Unheimlichen mache. Den Bedeutungsvarianten des Wortes »heimlich« nachspürend, kommt Freud zu dem Schluss, dass »unheimlich irgendwie eine Art von heimlich«470 sein müsse. In Wirklichkeit sei das Unheimliche als jene Art des Schreckhaften zu begreifen, welche auf das Altbekannte und Längstvertraute zurückgehe.471 Freud beruft sich in seinen Ausführungen wiederholt auf Ernst Jentsch, der 1906 zuerst einen Artikel zur »Psychologie des Unheimlichen« veröffentlicht und darin gemeint hatte, dass unheimliche Gefühle geweckt würden, wenn eine intellektuelle Unsicherheit bestehe, ob etwas belebt oder leblos sei und eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Leblosem und Lebendem bestehe.472 »Wir er- innern uns«, widerspricht Freud, »daß das Kind im frühen Alter des Spielens überhaupt nicht scharf zwischen Belebtem und Leblosem unterscheidet und daß es besonders gern seine Puppe wie ein lebendes Wesen behandelt«473. Die Belebung der Puppe entspreche daher einem kindlichen Wunsch und sei nicht als Quelle des unheimlichen Gefühls auszumachen.474 Nach Beispielen in der Literatur suchend, verweist Freud auf E. T. A. Hoff- mann, den unerreichten »Meister des Unheimlichen in der Dichtung«475 : In dessen Roman »Die Elixiere des Teufels« sei es schließlich das Doppelgänger- tum in all seinen Abstufungen und Ausprägungen, das unheimliche Leseerleb- nisse erzeuge, darunter Ich-Verdopplung, Ich-Teilung, Ich-Vertauschung sowie die Wiederkehr des Immergleichen (Wiederholung der Gesichtszüge, der Cha- raktere, der Schicksale, der verbrecherischen Taten)476  – gestalterische Formen, wie sie in den Vervielfältigungen der untoten Hauptfiguren in »Die Kinder der Toten« wiederholt vorzufinden sind (vgl. etwa die Zweitkarin477, die Zweit- gudrun478 usw.). Die Krankengeschichte eines Patienten mit Zwangsneurose veranlasste Freud schließlich zu der Annahme, dass das Unheimliche mit der alten Weltauffassung 468 Freud, Das Unheimliche, S.  231. Vgl. auch Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  204  f. 469 Freud, Das Unheimliche, S.  231. 470 Ebd., S.  237. 471 Vgl. Freud, Das Unheimliche, S.  229–237. 472 Vgl. ebd., S.  245. 473 Ebd. 474 Vgl. ebd., S.  245  f. 475 Ebd., S.  246. 476 Vgl. ebd., S.  246  f. 477 KDT, S.  92. Auf S.  94 als »Karin Zwei«, auf S.  95 als »Kopie Karins« bezeichnet. 478 KDT, S.  121. Hier auch als »Doppelgängerin« bezeichnet. 190 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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