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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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hatte sich den Lagerbetrieb in Auschwitz vorführen lassen und war dabei auf »›Mängel‹ bei der Durchführung der Vernichtung«625 gestoßen. Sein Kollege, der Leiter der Abteilung Ventilation, behob diese Mängel angeblich »schnell und professionell«626. »Es ist diese teilnahmslose Kälte, diese Bürokratensprache, diese nüchterne Sachlichkeit der Handlung, die einen erschaudern lässt«627, re- sümiert der Kulturwissenschafter Eckhard Schwarzenberger, der sich eingehend mit der Involvierung des Betriebs in die nationalsozialistische Vernichtungs- maschinerie beschäftigt hat. Bemerkenswert ist an dieser Stelle wiederum die Art und Weise, wie Elfriede Jelinek den Hinweis auf die Firma Topf  & Söhne in ihren Text einflicht  – sie weiß über deren unheilvolle Geschäftsbeziehungen offenbar genauestens Bescheid, meint aber, den Leser darüber nicht belehren zu müssen, sondern erwähnt nur wie nebenbei den Namen der Firma, was sie auch 2002 bei der Verleihung des Heine-Preises in Düsseldorf gemacht hat : Dem Krematorium sei ihre Tante Lotte gerade noch entkommen, stellte Je- linek bei dieser Gelegenheit fest, doch die Tante sei immer noch in Auschwitz, denn »sie muß schauen und zurückschauen … und was sieht sie ? Sie sieht auf den Verbrennungsofen ihren Namen geschrieben. Auf dem Ofen, für den sie bestimmt ist, in den sie aber zum Glück nicht hineingekommen ist, steht ihr ei- gener Familienname geschrieben : Topf. Firma Topf. Und Söhne. Soll man also überhaupt schauen ?«628 Allein die wiederholte Nennung schafft Neugierde, was sich hinter diesem harmlos scheinenden Namen verbirgt. Die Beantwortung mithilfe historischer Aufarbeitung ist ernüchternd. Und schließlich wird im Buch auf Jelineks Urgroßvater, den »Kriegsheim- kehrer Isidor Kupido Jelinek«, verwiesen : »ein fescher Toter«629. An späterer Stelle wird von der Erzählinstanz noch der Jüdische Friedhof am Wiener Zen- tralfriedhof aufgesucht, in welchem beide Urgroßeltern begraben sind. Deren Gräber sind im Buch geschändet (»… und wer hat an Uropa Isidors und Uroma Bettys Grabstein gerüttelt, bis er umgefallen ist ?«630)  – ein Verweis auf das ge- schändete Andenken der jüdischen Familienmitglieder. Elfriede Jelinek ist für die Selbstinszenierungen ihrer Person in der Öffent- lichkeit wie auch in ihren Texten bekannt.631 Anhand der Figur Karin Fren- zel hat sie sich in »Die Kinder der Toten« an der neurotischen Hass-Liebe zur Mutter abgearbeitet  – dies aber, wie es scheint, nur vordergründig. Vor allen 625 Assmann/Hiddemann/Schwarzenberger, Firma Topf  & Söhne, S.  7. 626 Ebd. 627 Schwarzenberger, Topf  & Söhne, S.  12. 628 Österreich. Ein deutsches Märchen, unpaginiert. 629 KDT, S.  176. 630 KDT, S.  490. 631 Vgl. Kapitel  1.5 dieser Studie. 212 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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