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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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mustern organisiert, die arische Frauen in der Hierarchie ĂŒber nicht-arische MĂ€nner stellte : Die Kategorie »Rasse« prioritierte die Kategorie »Geschlecht«.901 Allerdings sind anachronistische Idealvorstellungen wie jene Hitlers, die Frauen auf ihre Rolle als »arisch reine, ungeschminkte Hausfrau und Mutter vieler Kinder«902 reduzieren, in verschiedenen MĂ€nnerbĂŒnden, etwa gewissen Burschenschaften, nach wie vor von Belang. Doch wo diese Reduktion tatsĂ€ch- lich vorgenommen wird, entsteht ein sexuelles Vakuum, das mit anderen Attrak- tionen aufgefĂŒllt werden muss. Schon Theweleit hatte Ende der 1970er Jahre in seiner zweibĂ€ndigen Ab- handlung »MĂ€nnerphantasien« darauf hingewiesen, dass MĂ€nnerbĂŒnde zur Ausbildung latenter oder offener HomosexualitĂ€t neigen.903 Nach Theweleit ist es vor allem die Übertretung einer Vorschrift oder Sitte, die MachtgefĂŒhle weckt und dadurch Lust abwirft : Der Gebrauch dieser Macht sei es, welche die Bereiche des Homosexuellen fĂŒr den faschistischen Mann möglicherweise besonders attraktiv mache.904 Jelinek hatte Haider schon seit Anfang der 1990er Jahre beschuldigt, im Ge- heimen homosexuell zu sein oder mit einer homosexuellen Orientierung jeden- falls zu kokettieren. In »Die Kinder der Toten« ist der junge FĂŒhrer, eindeutig als Haider erkennbar, fĂŒr »den Genuß junger MĂ€nner wie gemacht«905. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost vom Februar 2000 sagte die Autorin, Haider arbeite bewusst mit »homophilen Codes, natĂŒrlich ohne sich wirklich als homosexuell zu bekennen«, weil das seine politische Macht stĂ€rke. Man könne sich das heute zwar nicht mehr vorstellen, aber auch Heidegger habe von Hitlers schönen HĂ€nden und blauen Augen geschwĂ€rmt.906 Auch in oben zitierter Regieanweisung zu »Das Lebewohl« ist Jelineks Unter- stellung klar herauszulesen. Zu einer homosexuellen Orientierung, und das soll hier eindeutig festgehalten werden, hatte sich Haider bis zu seinem Tod nie be- kannt. Er konnte diese GerĂŒchte aber auch niemals gĂ€nzlich zerstreuen  – und wollte es möglicherweise auch nicht, denn nachdrĂŒcklich dementiert hat er sie nie. Nach seinem Unfalltod 2008 wurden die GerĂŒchte vielmehr noch dadurch genĂ€hrt, dass einer seiner engsten Mitarbeiter in KĂ€rnten, Stefan Petzner, 901 Vgl. Hovdar, Mein Schweigen half mir nicht zu vergessen, S.  24. 902 Zipfel, Die Welt ist so schön, S.  172. 903 Vgl. Theweleit, MĂ€nnerphantasien, vor allem das Kapitel »HomosexualitĂ€t und weißer Terror« in Bd.  2. 904 Vgl. Theweleit, MĂ€nnerphantasien 2, S.  319. 905 KDT, S.  46. 906 Das Interview ist als »Haider-Outing« auf der Homepage der Wiener HOSI online abrufbar unter : http://www.hosiwien.at/haiderouting/medien/ironie-unter-der-strasenwalze (Zugriff am 4.10.2012). 257 »Das Lebewohl«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : AnnĂ€herung an eine »synthetische KĂŒnstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂŒhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks Àsthetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur IntertextualitÀt 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂŒmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 InterdisziplinÀre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 PrimÀrliteratur 300
      2. 6.1.2 SekundÀr- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-BeitrÀge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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