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Und so wird Haider in der Figur des Sprechers zur »Popanze«925 gemacht,
wie die Autorin selbst den Anspruch auf ihre Thaterfiguren formuliert hat.
3.3.3.2 Von der Verharmlosung zur Verherrlichung
»Im Kabarettland Ăsterreich war Haider ein
rechter Kabarettist, der durch assoziative Logik
zu seinen gruseligen Pointen kam.«926
Haider war ein geschickter Rhetoriker. Obwohl aus einfachen VerhÀltnissen
stammend, hatte er ein Gymnasium besucht und nach einem einjÀhrigen Mili-
tÀrdienst innerhalb weniger Jahre ein rechtswissenschaftliches Studium absol-
viert.927 An verschiedene GesprÀchspartner und -situationen konnte er sich
schnell anpassen. Der verbale Tabubruch gehörte dabei zu seinem festen rheto-
rischen Repertoire. Provokante Aussagen wie jene von der »ordentlichen Be-
schĂ€ftigungspolitik«928 im Dritten Reich brachten ihm groĂe mediale Aufmerk-
samkeit ein und sorgten neben empörten Kritiken auch fĂŒr launiges Bravo aus
dem rechten Lager. Man könnte daher vermuten, dass diese Provokation wie
auch zahllose Àhnliche Aussagen eher taktischer Natur waren, die eine gewisse
WĂ€hlerklientel bedienen sollten.
Zudem verstand sich Haider bestens auf die Kunst der ambivalenten Aus-
flĂŒchte und Entschuldigungen fĂŒr umstrittene Aussagen, mit denen er gleich-
zeitig deutlich machte, dass es ihm in Wirklichkeit nicht leid tue. Jelineks
Haider- Figur Ă€uĂert sich zu der Frage nach der historischen Schuld Ăsterreichs
folgendermaĂen :
»Wir haben den Fall von Anfang an erörtert : wir warens nicht, und unsre VÀter warens
auch nicht. Sie könnens nicht gewesen sein. Ach ! Unsere VÀter warens vielleicht doch,
aber es hat nichts gemacht. Es hat ihnen nicht geschadet. Wenn Sie so wollen, dann
waren sies halt.«929
925 Jelinek, Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, S. 14.
926 Mayer/Koberg, Ein PortrÀt, S. 200.
927 Vgl. Zöchling, Haider, S. 23â50 sowie S. 73â94.
928 Haider hatte im Juni 1991 an die SPà gerichtet vor dem KÀrntner Landtag gesagt : »Na, das
hatâs im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche BeschĂ€fti-
gungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss
man auch einmal sagen.« Zitiert nach : Czernin, Der Westentaschen-Haider, S. 35 ff.
929 LW, S. 13. 261
»Das Lebewohl«â |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319