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guren ihres StĂŒcks Ikonen des österreichischen Burg theaters angegriffen hatte :
Paula Wessely und das BrĂŒderpaar Attila und Paul Hörbiger.
Im Rahmen der empirischen Analyse wurde ermittelt, dass Jelineks Haupt-
figuren in »Burg theater« als »Sprachschablonen« zu begreifen sind, die in erster
Linie nicht als Individuen Bedeutung haben, sondern exemplarisch zu verste-
hen sind, was vom Feuilleton weitestgehend missverstanden worden war. Die
Sprache des StĂŒcks wurde als »Kunstsprache« bezeichnet, deren literarische
Wirkung vor allem darin besteht, ihre KĂŒnstlichkeit und ihren tendenziösen
Gehalt zu offenbaren. Demnach wurde die Sprache selbst als Mythos erkannt,
den Jelinek durch ihre destruktiven Mittel zu entlarven sucht. Allein durch die
BrutalitÀt der Aktionsebene wird die scheinbare Harmlosigkeit der Spreche-
bene immerfort durchbrochen. Im Mittelpunkt stehen aber stets die bemer-
kenswerten Sprachgebrauchsformen der Figuren, mit der Jelinek eine Sprache
zu kritisieren sucht, die »in ihrer Pervertierung die faschistische Kulturindus-
trie ermöglicht und eine nicht erfolgte Entnazifizierung in diesem Unterhal-
tungsindustriebereich ermöglicht hat«18. Der Mythos vorgeblich unpolitischen
KĂŒnstlertums wird auf diese Weise destruiert. Weiters wurde festgestellt, dass
in »Burg theater« jede »Ăsterreicharie«19, auf die nach 1945 zurĂŒckgegriffen
wurde, um sich vom angeblich »deutschen« Faschismus zu distanzieren, als
Mythos der scheinbaren Harmlosigkeit und Unschuldigkeit verworfen wird
und jede Zuschreibung eines österreichischen Nationalcharakters (in Anleh-
nung an Karl Dietrich Brachers lĂ€ngst ĂŒberholte These vom deutschen Na-
tionalcharakter, die im Zuge der Goldhagen-Debatte Ende der 1990er Jahre
wieder aufgewĂ€rmt wurde) nur als Vorwand fĂŒr die Opferthese interpretiert
werden kann. Die Frage nach der indivuellen Schuld der in dem StĂŒck angegrif-
fenen Realpersonen wurde als legitim erachtet und musste positiv beantwortet
werden, denn neben dem Engagement in einschlÀgigen NS-Propagandafilmen
ist den Wessely/Hörbigers vor allem vorzuwerfen, dass sie nach 1945 Stars ei-
ner Unterhaltungsindustrie waren, die in Gestalt deutschsprachiger Heimat-
film-Produktionen das Vergessen von Verantwortung und Mitschuld bekrÀf-
tigte und in Ăsterreich das Bild eines vom »deutschen« Nationalsozialismus
ĂŒberrollten, geknebelten Volkes stĂŒtzte.20 Das öffentliche EingestĂ€ndnis von
Mitverantwortung oder persönlicher Involvierung â die »Internalisierung«21
von Mitschuld und EigenverantwortungÂ
â blieben die drei Publikumslieblinge
bis zu ihrem Ableben schuldig.
18 Jelinek, zitiert nach : Winter, GesprÀch mit Elfriede Jelinek, S. 13.
19 Löffler, Ludersinn, S. 220.
20 Vgl. Kapitel 3.1.6 dieser Studie.
21 Lepsius, Das Erbe des Nationalsozialismus, S. 250. 285
Zusammenfassung der Ergebnisseâ |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Title
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Subtitle
- Eine historiografische Untersuchung
- Author
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 328
- Keywords
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, IntertextualitÀt
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. LektĂŒre- und DeutungsvorschlĂ€ge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten SekundÀrliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die ErzÀhlinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die groĂe Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. ResĂŒmee 279
- 5. Epilog â Wir warenâs nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319