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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Im zweiten Teil der empirischen Analyse wurde Jelineks großer Roman »Die Kinder der Toten« besprochen. Es musste festgehalten werden, dass Jelineks Opus Magnum der Ruf der Unlesbarkeit anhaftet und, von einzelnen enga- gierten Abschlussarbeiten abgesehen, bisher keine umfangreicheren Interpre- tationen vorliegen. Ein 18-seitiger Tagungsbeitrag von Alexandra Pontzen, in dem vor allem die Referenzsysteme des Romans verhandelt werden, wurde als systematisch und aufschlussreich hervorgehoben. Die inhaltliche Zusammenfassung vorausschickend wurde die Problema- tik dargelegt, dass der Roman nicht »ausschließlich linear lesbar«22 sei, weil es tatsächlich schwierig ist, klare Handlungsstränge aus ihm zu extrahieren : Ein »Prozess des sprachlichen Überlagerns und Überschüttens bestimmt das Buch«23. Dem assoziativen Lesen muss in diesem Fall viel Raum gegeben wer- den, sonst ist der gut 666  Seiten starke Roman, auch für geübte Leser, kaum bewältigbar. Trotz der vorhandenen Unklarheiten wurde versucht, den Inhalt des Buchs so klar und eindeutig wie möglich zusammenzufassen. Dabei wurde festgestellt, dass es einen exemplarischen Handlungsstrang gibt, der anhand der drei unto- ten Hauptfiguren Karin, Edgar und Gudrun verfolgt wird, sowie einen über- geordneten allgemeinen Handlungsstrang, der vor allem in schaurigen Bildern ausgedrückt wird, zum Beispiel mit sich aufbauenden Wetter- und Naturer- scheinungen, aber auch mit Hinweisen auf unheimliche, gespenstische Anwe- senheiten im Boden, in der Luft und den Gewässern des Landes, die sich nach und nach mit den Wassermassen anhaltender starker Regenfälle vermischen und zu einer übermächtigen, alles vernichtenden Schlamm- und Leichenlawine zusammenballen. Zahlreiche Andeutungen, die im Verlauf des Buchs immer eindringlicher werden, lassen keinen Zweifel daran, dass mit den allgegenwär- tigen Toten die Opfer nationalsozialistischer Vernichtung gemeint sind. Beide Handlungsstränge werden in dem Buch parallel und überschneidend verfolgt, bis sie in einem grausigen Finale schließlich zusammengeführt werden, in dem der Schauplatz der Geschichte (die »Pension Alpenrose«) von der gewaltigen Mure aus Schlamm und Leichen verschüttet wird. Es wurde festgehalten, dass der Prozess des sprachlichen Überlagerns und Überschüttens das große Thema des Romans widerspiegelt : Verdrängung. Ex- emplarisch für ein Land, das über Jahre hinweg in die willkürliche, rassistisch begründete Menschenvernichtung des NS-Regimes involviert war, wird der Ort des Schauspiels im Finale des Buchs von der Vergangenheit eingeholt und selbst vernichtet. 22 Pontzen, Pietätlose Rezeption, S.  53. 23 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  202. 286 | Resümee Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Title
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Subtitle
Eine historiografische Untersuchung
Author
Sylvia Paulischin-Hovdar
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
328
Keywords
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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