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österreichischen Wesens‹« eine politische Absicht hat.40 Über Lothars diesbezüg-
liche Vorstellungen, die er im Exil u. a. in seinen Romanen ausformuliert hat,
finden sich einige Beiträge. Sie haben vor allem seine 1944 in der Austro American
Tribune geäußerten Ansichten über Österreichs kulturelle Bedeutung für Nach-
kriegseuropa (Zum Thema Österreich) und Berthold Viertels Replik auf Lothars
Darlegungen zum Inhalt.41
Ernst Lothar begriff, wie seine Exilromane und Vorträge (Justice for Austria)
zeigen, »Kulturarbeit als Instrument psycholo
gischer Kriegsführung« und setzte
sie dementsprechend ein. Mit Lothars Kulturpolitik im Rahmen seiner Tätigkeit
für die amerikanische Regierung haben sich Reinhold Wagnleitner und Oliver
Rathkolb beschäftigt.42 Basierend auf den in seiner Disserta
tion über die Poli-
tische Propaganda der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich 1945 bis 1950
gewonnenen Erkenntnissen publizierte Rathkolb mehrere Artikel,43 die sich
ausführ lich mit Ernst Lothars Tätigkeit als Kulturoffizier der US-Armee und
seinen Bestrebungen auf dem kulturellen Sektor im Österreich der unmittel-
baren Nachkriegsjahre (1946 – 1947) auseinandersetzen. Neben dem Bereich der
Entnazifizierung wird auf die von Lothar verkörperte Aufführungspraxis der
amerikanischen Behörden (Theater, Musik) in der US-Zone Österreichs ein-
gegangen. Rathkolb konstatiert, dass Lothar »eine konservative, betont bürger-
liche Kulturvorstellung« verfocht und an »grundsätz lichen Strukturänderun-
gen« »nicht interessiert« war.44 Er weist auch auf die zum Teil verschwommene
Fremdwahrnehmung Lothars hin: Einerseits galt er »als durchaus prominen-
ter Funk tionsträger des Kulturlebens vor 1938 und wurde so auch mit seinen
ursprüng lichen Amts- und Berufstiteln wieder angesprochen, d. h. wieder auf
seine Stellung vor 1938 ›zurückgebeamt‹« 45, andererseits war er in der politischen
Realität von 1946 ein Vertreter der amerikanischen Besatzungsadministra
tion.
Diesen eigenartigen Zwischenstatus, den Lothar selbst so empfunden und
in seinem autobiographischen Roman Die Rückkehr als literarische Vorlage
40 Vgl. Joseph McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung, S. 149.
41 Ulrich Weinzierl: Österreich als Wille und Vorstellung; ders.: Politik und Literatur im österrei-
chischen Exil am Beispiel der na
tionalen Frage; Gerhard Scheit: Scheinland; Konstantin Kaiser:
Zur Diskussion um Kultur und Na tion im österreichischen Exil, S. 1053, 1060.
42 Reinhold Wagnleitner: Coca- Coloniza
tion and the Cold War.
43 Oliver Rathkolb: Politische Propaganda; ders.: »… Für die Kunst gelebt«, S. 73; ders.: Führer-
treu und gottbegnadet, S. 257 f.; ders.: Planspiele im Kalten Krieg; ders.: Die Entwicklung der
US-Besatzungspolitik zum Instrument des Kalten Krieges; ders.: Ernst Lothar.
44 Oliver Rathkolb: Planspiele im Kalten Krieg, S. 55.
45 Oliver Rathkolb: Ernst Lothar, S. 279.
Sekundärquellen 23
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478