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als Bekenntnis einer ganzen Na tion. Nur nach Jahresfrist und später darf es nichts
anderes sein als ein Kunstwerk und eine Chronik. Nicht wie zuvor ein Bekenntnis,
das noch gilt.44
Die Verteidigung Lissauers ist wohl auch eine indirekte Rechtfertigung des
eigenen Italien- Gedichts, das mit der Pauschalverurteilung der Italiener,
ebenso wie Lissauers Verdammung der Engländer, in einem diametralen
Gegensatz zu Lothars nunmehr eingenommener Posi tion steht. Die Bel-
grader Nachrichten nannten die Österreichischen Schriften ein »bedeutendes
Buch« und attestierten Lothar eine »ganz neue Kunst des Schreibens«,45
auch Paul Wertheimer äußerte sich sieben Jahre darauf in der Neuen Freien
Presse enthusiastisch:
Hier war nicht die große, den Gegner im voraus geistig-
sitt lich geringschätzende
Geste. Hier ward ohne Pathos, menschlicherweise, um gegenseitiges Verstehen und
um Verständigung geworben. In diesen politischen Betrachtungen eines Unpoliti-
schen äußerte sich ein Dichter über Weltfragen, die uns damals lauter Herzenssa-
chen waren […].46
Bei ihrem Erscheinen stieß die Essaysammlung, so der Eindruck ihres Ver-
fassers, auf keine besondere Gegenliebe. Auch Lothars erster veröffent lichter
Roman, Der Feldherr,47 den er im Winter 1914 begann, im Sommer 1917 fer-
tigstellte und der 1918 im Verlag Freytag und Tempsky publiziert wurde, teilte
dieses Schicksal: »[E]r gewann zwar einige Verbreitung und seinem Verfas-
ser den Bauernfeldpreis, zog ihm aber auch den Verdacht unverbesser lichen
Defaitismus zu.« 48 Besonders den Literatur- und Theaterhistoriker Alexander
Weil Ritter von Weilen, der u. a. für die Neue Freie Presse schrieb, hat Lothar
diesbezüg lich in schlechter Erinnerung; von Weilens Kritik sei ein Verdikt, das
ihn »in Acht und Bann« getan habe. Der Rezensent nannte Lothars Roman
»merkwürdig«, die Handlung sei »oft mehr als unwahrschein lich«, Vorgänge
44 EL: Österreichische Schriften, S. 40.
45 Ein Auszug der zitierten Rezension der Belgrader Nachrichten ist als Verlagswerbung in Lothars
1918 erschienenem Roman Der Feldherr abgedruckt.
46 Paul Wertheimer: Ernst Lothars neuer Roman. »Bekenntnis eines Herzsklaven.« In: Neue Freie
Presse, 11. 11. 1923, S. 32 ff., hier S. 32.
47 EL: Der Feldherr. Roman. 1.–5. Tsd. Wien, Leipzig: Freytag & Tempsky 1918. 407 S.
48 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 39. 1890 – 1925: Literarische
Nachwuchshoffnung34
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478