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verpfichtet, seine Zustimmung zu dem Gesetz zu geben, ohne recht zu wissen
warum« 47. Ernst Lothar wies auf die Notwendigkeit hin, das geplante Gesetz
»von den territorialen Bindungen freizumachen«, da offenbar beabsichtigt sei,
das Verbot nicht nur für den Amtsbereich der jeweiligen Behörde zu erlassen,
sondern »jedes Verbot mit der Wirksamkeit für den ganzen Bund auszustatten« 48.
Nach diesem zweiten Treffen mit Regierungsvertretern sprach sich der Ver-
band der katho lischen Schriftsteller Österreichs im Gegensatz zum Gesamt-
verband, der empfahl, § 12 des Pressegesetzes aus dem Jahr 1922 auszudehnen,49
für ein eigenes »Gesetz gegen Schmutz und Schund« aus. Die Deutschösterrei-
chische Tages- Zeitung, Organ der »deutschösterreichischen« Na
tionalsozialis-
ten, wetterte gegen die Versammlung der Schriftsteller, die gegen das geplante
Gesetz waren, und konstatierte, dass diese Protestak tion als »eine ausgesprochen
jüdische Geschäftsangelegenheit anzusehen sei, nahmen an ihr doch vorzüg-
lich jüdische Schreiber […] teil«, überhaupt sei »das ganze Schmutz[-] und
Schundproblem eine reine Rassenfrage«.50 Auch sah sich die Christ
lichsoziale
Nachrichtenstelle veranlasst, ein Kommuniqué zu veröffent
lichen, wonach die
Vertreter der Künstlerschaft den Gesetzesentwurf keineswegs einhellig abgelehnt
hätten. Lothar erklärte daraufhin in einer Stellungnahme, dass sich die über-
wältigende Mehrheit der Künstler einmütig gegen das Gesetz ausgesprochen
hätte: »Diese Majorität ist nicht nur im numerischen Sinn vorhanden. Denn der
Gesamtverband umfaßt mit Ausnahme des Verbandes katho
lischer Schriftstel-
ler alle nennenswerten österreichischen Schriftstellerverbände […]. […] Dem
Verbande katho lischer Schriftsteller dagegen gehören unter anderen als promi-
nente Mitglieder alle Bischöfe Österreichs an.« 51
Die Regierung nahm nach der Enquete im Juni 1928, um nicht eine zu starke
Belastungsprobe in der Öffent lichkeit zu provozieren, den vom Innenministe-
rium bereits vollständig ausgearbeiteten Gesetzesentwurf auf Veranlassung des
Bundeskanzlers zurück,52 doch bereits Ende des Jahres ging sie daran, ihn durch
47 Arbeiter- Zeitung, 9. 6. 1928, S. 3 f.; Der Tag, 9. 6. 1928, S. 2.
48 Arbeiter- Zeitung, 9. 6. 1928, S. 3 f.
49 Durch diesen Paragraphen konnten auf Antrag einer Unterrichtsbehörde oder eines Jugendamts
bestimmte Druckwerke vom Straßenverkauf und von der Verbreitung an Personen unter 18 Jah-
ren ausgeschlossen werden.
50 Deutschösterreichische Tages- Zeitung, 24. 4. 1928.
51 Schmutz und Schund. Dr. Ernst Lothar gegen das offiziöse Communiqué. In: Die Stunde,
24. 6. 1928.
52 Vgl. Wiener Sonn- und Montags- Zeitung, 18. 6. 1928, S. 2.
Kritiker und Kulturfunktionär 61
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478