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Sie wissen wohl nicht, wie entscheidend es gewesen wäre, wenn Sie sich früher zu
einer Mitteilung an mich entschlossen und insbesondere die dringende Anfrage im
Juli nicht unbeantwortet gelassen hätten –: dann lebte meine arme Agathe wahrhaftig
heute in Glück und Freude, das Urbild der »kleinen Freundin«, meine Tochter, die ich
am 13. August plötz
lich verlor! Nicht auszudenken, schweigen wir davon.
Zur Sache möchte ich nur bemerken, daß es für die Publizität meiner bei Secker
in London erschienenen Bücher wünschenswert wäre, wenn »Little Friend« als ein
»nach dem gleichnamigen, bei Secker erschienenen Roman von Ernst Lothar« von Ihnen
usw. verfaßter Film angekündigt wird. In der mir von Ihnen frdl. gesandten Zeitung
(Sunday Expreß [sic]) erscheinen nur Sie als Autor.
In meiner unschilderbaren Gemütsverfassung würde ich es als Wohltat empfinden,
eine so einschneidende Situa tionsveränderung, wie es eine Reise nach London wäre,
vornehmen zu können. Wären Sie in der Lage, da etwas für mich zu tun? Vielleicht
fände die Produk
tionsleitung sich bereit, mir Reise und kurzen Aufenthalt zu bezahlen,
wenn ich entweder noch während der Herstellung oder zur Première hinüberkäme
und ein wenig mitarbeitete?157
Berthold Viertel sah sich allerdings nicht imstande, diesbezüg
lich etwas für
Lothar zu tun, die Aufnahmen für den Film begannen bereits im Februar 1934;
Lothars Wünsche nach bezahlter Reise, kostenlosem Aufenthalt und Mitarbeit
bei den Dreharbeiten waren doch etwas unrealistisch, um nicht zu sagen unver-
froren. Viertel reagierte empört:
Da habe ich einem völlig unbekannten Herrn Ernst Lothar zwei Bücher an den
Film verkauft. Einen dieser Filme, Die Kleine Freundin, habe ich selbst gemacht
mit ungeheurer Liebe und Sorgfalt des Herzens und unter größten Opfern. Es war
ein außerordent licher Erfolg bis nach Amerika herüber, und speziell in Amerika.
Trotzdem wurde Herr Lothar broiges 158 auf mich, ohne jeden anderen Grund als
offenbar den, dass er mir nicht dankeschön gesagt hatte, was ich garnicht [sic] ein-
mal von ihm verlangte. Er wünschte zur Londoner Premiere eingeladen zu werden,
was garnicht in meiner Macht stand. Ich selbst wohnte der Premiere nicht bei, son-
dern befand mich auf einem Schiff nach Amerika. Dagegen hatte ich viele Monate
lang wie ein Viech an dem Film gearbeitet und wie in Europa so auch in Amerika
dafür gesorgt, dass dem Autor des Originalbuches mehr Kredit eingeräumt wurde,
157 Brief von EL an Berthold Viertel. Wien, 29. Januar 1934. DLA, 69.2567/1.
158 Broiges = böse, verärgert (jidd.). – Wolfgang Teuschl: Wiener Dialekt- Lexikon, S. 67.
1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor
sind«82
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Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478