Seite - 100 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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gebe, welche »die größten Anstrengungen machen, sich an diesem Rennen um
den Direk tionsposten des ersten Wiener Privattheaters mög lichst erfolgreich
zu beteiligen« 3.
Erst kurz vor Reinhardts Entschluss war überhaupt durchgesickert, dass sich
Ernst Lothar um den Posten beworben hatte. »Als kapitalskräftiger und künstle-
rischer Mitarbeiter« hatte sich ihm Arthur Schnitzlers Sohn Heinrich zugesellt,4
war Lothars Vermögen doch »nicht der Rede wert« 5. Jedenfalls war Lothar also
weder »völlig überrascht« noch gänz lich unvorbereitet, als sich Reinhardt dazu
entschloss, ihn zum Direktor des Josefstädter Theaters zu ernennen. Lothar
hatte auf persön lichen Wunsch Reinhardts an den Krisensitzungen in Salzburg
teilgenommen, Reinhardt sah in ihm einen »würdigen Nachfolger, der durch
seine ernsten Qualitäten als Schriftsteller, Jurist und Regisseur […] alle anderen
Bewerber überragte«, auch würde er »das Theater in der Tradi tion der früheren
Jahre führen« 6. Entscheidend war weiters, dass Lothar »die unbedingt notwen-
digen Geldmittel zur Verfügung hatte, um innerhalb einer gewissen Frist die
laufenden Schulden abzudecken« 7.
Lothar kaufte sich nun mit einem Betrag von 130.000 Schilling in die Wie-
ner Schauspielhaus AG, Eignerin des Theaters, ein.8 Der direkte Vertrag mit der
AG erlaubte ihm völlige Unabhängigkeit in der Bühnenführung, des Weiteren
führte das Theater nun neben der Bezeichnung »Die Schauspieler des Theaters
in der Josefstadt unter der Führung von Max Reinhardt« den Zusatz »Direk tion:
Ernst Lothar«. Die von Lothar übernommene Bühne war mit einer Hypothek
von einer Million Schilling belastet 9 und war daher als Privatunternehmen
3 Ebd., 12. 8. 1935, S. 5.
4 Vgl. ebd. – Später gab es Gespräche über eine Regietätigkeit Heinrich Schnitzlers an der Josef-
stadt, doch blieb Lothar bei diesen Verhandlungen offenbar so vage, dass Schnitzler sich ent-
schloss, einen Vertrag mit dem Volkstheater abzuschließen. Vgl. Brief von Heinrich Schnitzler
an EL. Wien, 7. April 1937. ÖTM, Nachlass Heinrich Schnitzler. E 4812. Schn. 33/20/5.
5 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 89.
6 Briefentwurf von Max Reinhardt an Heinz Adamec, undatiert. Zitiert nach Edda Fuhrich: Das
Theater in der Josefstadt 1924 bis 1935, S. 56.
7 Briefentwurf von Max Reinhardt an Heinz Adamec, undatiert. Zitiert nach Angela Heide:
»… auf Betreiben des Prof. Max Reinhardt«, S. 71.
8 Vgl. Edda Fuhrich- Leisler: Vom Wunder des Überlebens, S. 214. – Reinhardt hatte ursprüng-
lich von dem stellvertretenden Direktor ein Betriebskapital von 150.000 Schilling erwartet. Vgl.
Edda Fuhrich: Das Theater in der Josefstadt 1924 bis 1935, S. 56.
9 Franz Helmuth Waldner, der mit Lothar sprach, stellt fest, dass nicht mehr überprüfbar ist, ob
der von Ernst Lothar genannte Betrag stimmt, da alle diesbezüg
lichen Belege 1938 vernichtet
wurden. Vgl. Helmuth Waldner: Das Theater in der Josefstadt von Lothar bis Steinböck, S. 13.
1935 – 1938: Theater in der
Josefstadt100
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478