Seite - 157 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Hansi anfangs für das »Interna
tional Artist Bureau« von Mary Bran tätig war und
dann Privatsekretärin bei Max Reinhardt wurde, während Ernst Haeusserman
für den Filmagenten Paul Kohner, einen der Mitbegründer des European Film
Fund, arbeitete.101
Doch zunächst waren die Geldsorgen omnipräsent, und Hansis Aufent-
halt im feudalen großmütter lichen Wohnsitz war dafür ausschlaggebend, dass
Lothar, als er bei einer karitativen Organisa tion um Hilfe bat, abgewiesen
wurde – mit der Begründung, dass »Leute, deren nächste Angehörige im Luxus
lebten, keine Unterstützung erwarten könnten« 102. Adrienne bekam eine Rolle
in einem Film mit Moishe Oysher, für die sie 40 Dollar erhielt,103 doch waren
diese sowie das Darlehen von Yvette Guilbert und Oskar Kaufmann bald
aufgebraucht, und nachdem Adrienne ihren Schmuck verkauft hatte, sah es
finanziell sehr düster aus.
In der Zwischenzeit bemühte Lothar sich, schriftstellerisch aktiv zu sein,
wurde aber von Selbstzweifeln blockiert:
Das Vertrauen zu meinen eigenen Fähigkeiten […] war mir in einem Maß verloren-
gegangen, das mir das Schreiben zur Qual werden ließ. Der Minderwertigkeit
jenseits des Ozeans laut genug geziehen und dem Autodafé des gesamten bisher
Getanen preisgegeben, empfand ich in der Fremde, die mich auf den Stelzen einer
fremden Sprache zu denken und zu schreiben zwang, das Unrecht weniger quä-
lend als die Selbstquälerei, ob es nicht mit Recht geschah. Wieso, fragte ich mich,
sind wir aus unserem Wirken ausgestoßen worden, ohne daß wir dort eine Lücke
hinter ließen, und wieso, wenn unsere Befähigung es rechtfertigte, rührt hier nie-
mand einen Finger für uns?104
Es gab aber durchaus Personen, die Lothar die Hand reichten, ihm unter
die Arme griffen und ihn auch see lisch aufrichteten, etwa Raoul und Irene
Auernheimer, Paul und Elisabeth Monath, Wilhelm Fritsch und Paula Janower.
Auch Carl Zuckmayer war bemüht, Lothar zu helfen. Lothar bat ihn, bei
der amerikanischen Publizistin und Journalistin Dorothy Thompson, damals
verheiratet mit dem Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis, ein gutes Wort
101 Adrienne Gessner: Ich möchte gern was Gutes sagen, S. 133.
102 Ernst Lothar: Das Wunder des Überlebens, S. 166.
103 Ebd., S. 154. Es handelte sich hierbei eher um eine Statistenrolle; in der Besetzungsliste des
1940 erschienenen Films Overture to Glory taucht Gessners Name nicht auf.
104 Ebd., S. 168.
Eine »Österreichische Bühne« in New York 157
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478