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für ihn einzulegen.105 Zuckmayer sollte Thompson, deren Salon für zahlrei-
che europäische Flüchtlinge »zu einem ›politischen und intellektuellen Ver-
kehrsknotenpunkt‹« 106 wurde, auf seine Situa tion aufmerksam machen und ihr
einige Informa tionen über ihn als Schriftsteller zukommen lassen. Zuckmayer
beschreibt ihr Lothar als »Adrienne Gessners Gemahl« und als »rechte Hand
und linker Fuß« Max Reinhardts in Österreich. Lothar sei unter den Wiener
Theater- und Dramenkritikern der »intelligenteste, verständnisvollste und
anständigste«, er habe »etwa 20 Bücher« 107 veröffent licht, »manche davon recht
erfolgreich«. Zuckmayer fasst seine Einschätzung Lothars wie folgt zusam-
men: »[S]owohl als Autor wie als Theatermann war und ist er das, was man
›gepfegt‹ nennt, kultiviert, gutes Niveau, ohne allzu heftig nach oben oder
unten auszuarten. Als Hofrat ist er unübertreff ich.« 108 Inwieweit Thompson
tatsäch lich etwas für Lothar bewirken konnte, muss dahingestellt bleiben.
Adrienne aber verdankte ihr ein Engagement in ihrem Theaterstück Another
Sun, das im Februar 1940 im New Yorker Na tional Theatre aufgeführt wurde.109
Auch von Thomas Mann erhoffte sich Lothar in seiner Daseins- und Schaf-
fenskrise Rat und einen mög
lichen Ausweg. Er hatte erfahren, dass Mann eine
Lehrstelle in Princeton innehatte,110 und machte sich kurz entschlossen auf den Weg
105 Thompson hatte sich seit den 1920er Jahren mit dem Na tionalsozialismus auseinanderge-
setzt, sie war von 1920 bis 1924 Auslandskorrespondentin für verschiedene amerikanische
Zeitungen in Wien, von 1925 bis 1928 in Berlin gewesen. 1931 hatte sie ein Interview mit
Hitler geführt, über ihre daraus gewonnenen Erkenntnisse veröffent lichte sie ein Jahr darauf
das Buch I saw Hitler. Thompson war »eine der bedeutendsten journalistischen Stimmen in
Amerika« und wurde spätestens seit 1936 mit ihrer Kolumne in der New York Herald Tribune
»zu einer meinungsbildenden Institu
tion, die unbeirrt gegen den Na
tionalsozialismus und
für die Weltverantwortung der Vereinigten Staaten eintrat« (Günter Schubert: Der Fleck
auf Uncle Sams weißer Weste, S. 15). Sie engagierte sich früh in Flüchtlingsfragen und setzte
sich für die Emigranten aus Deutschland und Österreich ein. Sie half ihnen, Einreisevisa und
Aufenthaltsgenehmigungen zu bekommen – so verdankte ihr etwa Carl Zuckmayer seine
Einreise in die USA. Die beiden waren seit 1925 befreundet, Thompson hatte ihm, als er mit
seiner Familie in den USA ankam, bereits ein Haus in Vermont gemietet.
106 Thomas Reuther: Die ambivalente Normalisierung, S. 153.
107 1940 waren insgesamt 22 Bücher von Ernst Lothar erschienen.
108 Brief von Carl Zuckmayer an Dorothy Thompson. Barnard, Vermont, 1. Oktober 1940. DLA,
HS000242360.
109 Vgl. Brief von Dorothy Thompson an AG. New York, 1. März 1940. WBR, ZPH 922a.
110 Thomas Mann hatte die ihm von Harold W. Dodds, dem Präsidenten der Princeton Univer-
sity, angebotene Stelle als »Lecturer in the Humanities« 1938 akzeptiert, 1939 wurde ihm hier
das Ehrendoktorat verliehen. Als Dozent arbeitete er in Princeton von Oktober 1938 bis Mai
1940. Vgl. Klaus Schröter (Hg.): Thomas Mann im Urteil seiner Zeit, S. 514.
1938 – 1946:
Exil158
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478