Seite - 194 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Lothar berichtete seiner Frau umgehend von der Aussicht auf eine neue Arbeit,
stellte aber fest, dass er lieber einen anderen Stoff behandeln würde.292 Noch am
selben Tag machte er sich daran, den Plan für dieses ihm näherstehende Buch
zu skizzieren. Zwei Stunden verwandte er darauf, den ersten Teil in Eng
lisch zu
Papier zu bringen. Drei Teile sah Lothar für seinen neuen Roman, der den Titel
Roll of Honor tragen sollte, vor (»Im ›Machen‹ schien mir der Stoff gut und wahr
u. für mich.« 293), und am darauffolgenden Tag sandte er die achtseitige Inhalts-
angabe an den Verlag. Doch Costain bestand auf seinem eigenen Vorschlag, hielt
die Geschichte eines Wiener Hauses für aussichtsreicher als Lothars Roman-
projekt.294 Doubleday versprach Lothar für zwei neue Bücher Vorschüsse; dadurch
und durch Lothars und Adriennes mittlerweile auf 17.000 Dollar angewachsene
Ersparnisse schien die Existenz der beiden vorerst gesichert (»Ohne allzu wilden
Optimismus kann man wohl sagen, daß, bei einigem literar. Erfolg des Sonnen-
Buches, meine schriftstellerische Posi
tion hier ›established‹ sein könnte.« 295). Lothar
wollte von Doubleday einen Vorschuss von 800 Dollar, auch beauftragte er seinen
Agenten Franz Horch damit, sich für ihn um einen zweijährigen »Renten
vertrag«,
wie auch Carl Zuckmayer einen hatte, zu bemühen.296
Anfang November 1942 begann Lothar damit, sich die Fundamente für jene
Wiener Haus- Geschichte zu überlegen, die Costain vorgeschlagen hatte. Lothar
nannte den Roman gedank lich An old house, »ört liche Situa tion und soziale
Schichtung« waren ihm sogleich »ziem
lich klar«. Das Haus, dessen Geschichte
erzählt werden sollte, »wird das Haus Ecke Seilerstätte, Annagasse sein, worin
die Lammersche Buchhandlung sich befand« 297:
Tausende Meilen entfernt, in einer Landschaft, die in nichts an Österreich erinnerte, sah
ich das Haus, das ich schildern wollte: es stand in Wien, an der Ecke der Seilerstätte
und der Annagasse, ein Papiergeschäft befand sich im Erdgeschoß, schräg gegenüber
waren die Freimaurerloge »Zukunft« und ein Stundenhotel, auf der Hausseite aber
eine Kirche und ein Theater.298
292 Brief von EL an AG. Colorado Springs, 15. Oktober 1942. a. a. O.
293 Brief von EL an AG. Colorado Springs, 16. Oktober 1942. a. a. O.
294 Vgl. Brief von EL an AG. Colorado Springs, 23. Oktober 1942. a. a. O.
295 Brief von EL an AG. Colorado Springs, 28. Oktober 1942. a. a. O.
296 Vgl. Brief von EL an AG. Colorado Springs, 30. Oktober 1942. a. a. O.
297 Brief von EL an AG. o. O. [Colorado Springs], 30. Oktober 1942. a. a. O. Gemeint ist das
Papierwarengeschäft E. Lammer, das sich in der Seilerstätte 28 (Ecke Annagasse 11) im ersten
Wiener Gemeindebezirk befand und heute Wilhelm Anton Lammer gehört.
298 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 214. 1938 – 1946:
Exil194
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478