Seite - 258 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 258 -
Text der Seite - 258 -
Adolf Schärf, damals Vizekanzler, erzählte aber später, dass »diese vier
Vertreter gemeinsam bei ihm mit dem ›Vorschlag Lothar‹ erschienen wären,
in den darauffolgenden Tagen jedoch jeder einzeln bei ihm vorsprach und
durchblicken ließ, daß er selbst eigent lich der richtige Direktor sein würde« 74.
Auch war bei einer hitzig geführten Vollversammlung der Schauspieler der
Einwand erhoben und von Adolf Rott in einer »Brandrede« 75 formuliert worden,
ein ehemaliger US-Offizier sei gegenüber den Russen nicht durchzusetzen.76
Egon Hilbert ließ Lothar wissen,77 dass seine »Kandidatur« gescheitert war, es
hätte sowohl von »sozialistischer« als auch »katho
lischer« Seite massive Proteste
gegen seine Berufung gegeben, Sek
tionschef Edmund Weber wiederum sprach
von großem Widerstand vor allem »in den künstlerischen Kreisen« 78. Das Ange-
bot an Ernst Lothar, die Burgtheaterdirek
tion zu übernehmen, »wurde nach aus-
sichtsreichen, verschwörerisch geführten Geheimverhandlungen kommentarlos
ad acta gelegt« 79. Auf die Frage, ob ihn das abermalige Scheitern seiner Kandidatur
kränke, meinte Lothar: »Gerüchte von meinem Tod (Fußnote des Herausgebers:
Burgtheaterdirek
tion = Daran Sterben oder Sterben-
Wollen) stark übertrieben.
No, Sir. Nothing of the kind. Deswegen haben wir Hitler nicht überlebt, um im
74 Ernst Haeusserman: Das Wiener Burgtheater, S. 133.
75 Ebd.; vgl. dazu auch Fred Hennings: Heimat Burgtheater, S. 100. – Lothar nahm an, dass diese
Ablehnung seiner Person durch Rott mit seiner Tätigkeit für die amerikanischen Behörden
zusammenhing. Lothar war u. a. dafür zuständig, »allen in deutsch-
amerikanischen Zonen außer-
halb Österreichs reisenden Österreichern zu einer Reiseerlaubnis zu verhelfen; hierzu war eine
persön
liche Befragung der Reisenden vorgeschrieben, und eine solche Befragung hinterließ […]
Rott so bittere Eindrücke, daß er in einer Versammlung im Burgtheater empört darüber klagte«
(EL: Das Wunder des Überlebens, S. 335).
76 Lucian O. Meysels: Die Welt der Lotte Tobisch, S. 54.
77 Hilbert hatte Lothar die ganze Zeit über die Ereignisse am Laufenden gehalten, er war es
auch gewesen, der Lothar eingeladen hatte, Trauer muss Elektra tragen im Akademietheater
zu inszenieren (vgl. Ernst Haeusserman: Das Wiener Burgtheater, S. 133). Insofern erscheint
es eigenartig, dass angeb lich gerade Hilbert die Bestellung Lothars verhindert haben soll,
und zwar in Form einer »persön liche[n] Intrige ohne strukturelle Hintergründe, vielleicht
bedingt durch die prominente Rolle Lothars vor 1938, die Hilbert – dem neuen kulturpoli-
tischen ›Gatekeeper‹ – ab 1946 gefähr lich werden konnte« (Oliver Rathkolb: Ernst Lothar,
S. 284; Rathkolb führt hier als anderen mög lichen Grund für das Scheitern der Lothar’schen
Kandi datur an, dass sich »viele Entscheidungsträger in Österreich« nicht mit seiner » kritischen
Auseinandersetzung mit NS-Themen in seinen in den USA erschienenen Romanen« iden-
tifizieren konnten).
78 Vgl. Brief von Edmund Weber an EL. Wien, 3. April 1947. WBR, ZPH 922a.
79 Hilde Haider- Pregler: »König Ottokars Glück und Ende«, S. 210. 1946 – 1950:
Rückkehr258
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478