Seite - 315 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Auch ärgerte es ihn, dass Marboe angeb lich unbedingt einen »Schriftsteller
von Rang« als Kandidaten haben wollte und dabei an Thiess und nicht an ihn
dachte: »Da muß man schon ’n Spaß verstehen, was […] Lernet tut, der das
ewige Wort gesprochen haben soll: ›Bitte! Wenn s’ schon an Ungeeigneten zum
Burgth[eater-]Dir[ektor] machen, hab’ ich den ersten Anspruch!‹« 120 Lothar hin-
gegen sah das nicht so entspannt: »Es wurmt mich natür lich irgendwie – wie
phantastisch ist es, daĂź sie mich nicht einmal gefragt haben, nachdem nicht nur
die Presse, sondern der scheidende Direktor fĂĽr mich waren und die Erfolge
auch etwas bedeuten sollten!« 121
Während Lothar also in den Niederlanden weilt und in einer Pressekonfe-
renz AuskĂĽnfte ĂĽber das Burgtheater zur Zeit der Machtergreifung der Na tio-
nalsozialisten in Österreich geben muss, erfährt er, dass eine Doppeldirek tion
Thiess- Schreyvogl im Raum stehe. Am 1. Juli wird ihm zugetragen, dass die
holländischen Zeitungen berichten, er sei Burgtheaterdirektor geworden. Als
Lothar diesen Meldungen nachgehen will, hört er, dass Unterrichtsminister Ernst
Kolb, zuständig für die Neustrukturierung der Bundestheater, Schreyvogl als
Gielens Nachfolger wollte, Ernst Marboe hingegen Adolf Rott, das Ensemble
aber Leopold Lindtberg. SchlieĂź lich wurde Rott Burgtheaterdirektor, Friedrich
Schreyvogl stellvertretender Direktor. Gielen, der das Ensemble bei dem Gast-
spiel in Holland begleitete, reichte seine Demission ein, blieb aber weiter als
Regisseur am Burgtheater.
Lothar konnte nicht glauben, dass Adolf Rott Direktor und damit sein Chef
geworden war (»der Herr, der vor Jahren einer Versammlung in frenetischer
Weise erklärte, ich sei ›untragbar‹« 122); kurz nach dieser Enthüllung wurde er
von einer holländischen Nachrichtenagentur und der Zeitung Telegraaf gefragt,
was er zu den Ernennungen sage. Ihm »blieb buchstäb
lich der Atem weg«, und
er »verweigerte jede Auskunft«. Seiner Frau aber teilte er seine Meinung und
BefĂĽrchtungen noch am selben Tag mit:
Im Moment, wo das Ensemble die Grenze überschritt, […] ist die öffent liche Ver-
lautbarung erfolgt – als alle weggefahren waren […], die der Presse schlechte Kom-
mentare hätten geben können, ein Coup dieses K[olb], wie er schwärzer nicht hätte
unternommen werden können! Daß dabei auch an mich gedacht war, näm
lich mich
120 Brief von EL an AG. Wien, 25. Juni 1954. WBR, ZPH 922a. Tatsäch
lich war Lernet-
Holenia
kurzfristig auch als Kandidat fĂĽr den Posten gehandelt worden.
121 Brief von EL an AG. ’s-
Gravenhage, 29. Juni 1954. WBR, ZPH 922a.
122 Brief von EL an AG. Amsterdam, 2. Juli 1954. a. a. O.
Burgtheaterkrise und Salzburger Festspiele 315
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar HeiĂźler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478