Seite - 339 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Bild der Seite - 339 -
Text der Seite - 339 -
von mir stammt, wegbleibe. Wenn Du anders entscheidest, werde ich mich […] fügen.
Aber richtig fände ich es nicht.24
Die Jedermann-
Besetzung, die im April 1960 feststand, erachtete Lothar als »so
grob und roh […] wie das Ganze« 25, fast alle Rollen waren neu vergeben wor-
den. Die Kritiken zu diesem Jedermann dürfte Lothar mit gemischten Gefühlen
aufgenommen haben. Das Theater- und Kulturmagazin Die Bühne wies darauf
hin, dass Lothar »nach einigen Textretuschen, die man unverzeih lich fand«, im
Laufe seiner Inszenierungen doch »einen brauchbaren, guten ›Jedermann‹ mit
akzeptabler Besetzung auf die Bretter vor dem Dom« gestellt habe, während
Dieterle »zwar einiges am Texte wiedergutmachte, ein paar nicht unglück
liche,
wohl vom Film her bezogene optische Effekte hereinbrachte«, dann aber doch
»um jeden Preis, Neues, und, wenn’s geht, auch Originelles zu schaffen« bemüht
gewesen sei, was ihm »vielfach« misslang, die Inszenierung und auch die Beset-
zung seien »nahezu eine Katastrophe« 26. Im Forum wurde die Ansicht vertreten,
dass Dieterle »dem ohnehin schon von Lothar restaurierten Reinhardt-
Konzept
nichts weiteres beizufügen« gewusst habe »als ein paar Regiekniffe und Gags
sowie eine Handvoll Äußer lichkeiten«.27
Dennoch war Lothar in diesem Sommer weniger mit dem Abschneiden
seines Nachfolgers beschäftigt als vielmehr mit der Arbeit an seiner Autobio-
graphie. Die Anregung dazu hatte er schon im April 1953 von seinem Londoner
Verleger Harrap bekommen, der ihm vorschlug, »Memoiren, die zugleich die
Memoiren des vergangenen Kaiserreichs« 28 wären, zu schreiben. Lothar machte
sich in den darauffolgenden Jahren daran, diesen Plan umzusetzen. Im Juni
1957 lagen Teile der Autobiographie in Form eines Manuskripts vor,29 das er
einer kritischen Lektüre unterzog: »Manches ist nicht so übel, vieles fach und
unbedeutend. So ist es nicht zu brauchen, wird, wenn überhaupt, eine Menge
rewriting erfordern. Ich fürchte, ich bin ein sehr kleiner Geist und habe keinen
Anspruch auf die Nachwelt.« 30
24 Der Brief an Heinrich Puthon liegt in einer Abschrift einem Schreiben Lothars an Adrienne
bei (London, 10. Februar 1960. WBR, ZPH 922a).
25 Brief von EL an AG. Wien, 8. April 1960. WBR, ZPH 922a.
26 Die Bühne, 24 (1960), S. 10.
27 Forum, 81 (1960), S. 336 f., hier S. 337.
28 Vgl. Brief von EL an AG. Dublin, 10. April 1953. WBR, ZPH 922a.
29 Vgl. Brief von EL an AG. London, 25. Juni 1957. a. a. O.
30 Brief von EL an AG. Beaulieu, Hampshire, 8. Juni 1957. a. a. O.
Panorama eines österreichischen Schicksals 339
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478