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die Dichtung Lothars, wo sie die Konfikte auföst, jene complexio oppositorum, die
nur der Glaube mög lich macht.64
Der Theatermann Lothar, den Schreyvogl in seiner Rede und ein Kulturrefe-
rent nach dem Besuch einer Inszenierung Lothars mit den Worten »Das
war nicht Theater, das war – Spiel« 65 so lobten, hatte sich zeitgleich erneut
zu bewähren. Ende Oktober 1960 wurde, nachdem Rudolf Noelte die Regie
abgelehnt hatte, Henrik Ibsens gesellschaftskritisches Drama Ein Volks-
feind in der Regie Ernst Lothars mit Ewald Balser als Dr. Stockmann im
Burgtheater aufgeführt. Die Rezensionen fielen eher negativ aus.66 Gerade
die Dimension der sozialpoli tischen Angriffslust des Stücks habe Lothar
unberücksichtigt gelassen: »Dieser Lothar-›Volksfeind‹ erstickte in Bürger-
lichkeit, gegen die aufzutreten ihm autorisierte Berufung hätte sein müs-
sen!« 67 »Hilfosigkeit« habe die von ihm »nicht just in bester Laune besorgte
Neuinszenierung« gekennzeichnet, »rein gar nichts« an ihr wollte »stimmen
und klappen«, es sei »kein glück licher Abend« gewesen,68 so der überwiegende
Tenor. Nicht nur wurde Lothar eine »offenkundig lustlose Regie« attestiert,
manche Zuschauer hatten, so hieß es, phasenweise den »Eindruck, einer
Hauptprobe beizuwohnen«.69
Die negativen Kritiken ließen sich dieses Mal leichter verkraften, hatte er
doch wenige Tage vor der Premiere im Stadtsenatssitzungssaal des Rathauses die
alljähr lich vergebene Josef- Kainz- Medaille der Stadt Wien für seine Inszenie-
rung des Weiten Lands im Akademietheater erhalten (»beste Regieleistung des
Jahres 1960 an einer Wiener Bühne«).70 Darüber hinaus hatte der Gemeinderat
64 Friedrich Schreyvogl: Rede auf Ernst Lothar. Gehalten bei der Morgenfeier im Akademie
theater
am 30. Oktober 1960. 4-seitiges Typoskript mit eh. Widmung. WBR, ZPH 922a, S. 4.
65 Vgl. Brief von Martha Marboe an EL. o. O., o. D. [Oktober 1960]. WBR, ZPH 922a.
66 Vgl. Die Bühne, 25 (1960), S. 7. Ausschließ
lich positiv äußerten sich nur das Kleine Volksblatt,
der Kurier und die Wiener Zeitung. Gemischte Reak tionen gab es beim Neuen Österreich, bei der
Neuen Tageszeitung und der Presse. Auf Ablehnung stieß die Aufführung unter Lothars Ägide
bei Arbeiter- Zeitung, Express und Kronen- Zeitung.
67 Die Bühne, 27 (1960), S. 4.
68 Forum, 83 (1960), S. 413; Arbeiter- Zeitung, 1. 11. 1960, S. 6; Edwin Rollett: Ernst Lothar. In:
Maske und Kothurn, 8 (1962), S. 149 – 152, hier S. 151.
69 Friedrich Torberg: Das fünfte Rad am Thespiskarren. Theaterkritiken. Bd. 2, S. 421 f.
70 Vgl. Josef- Kainz- Medaille für Regie 1960. Urkunde, 20. 9. 1960, unterschrieben von Franz
Jonas, Hans Mandl und Felix Slavik (gedruckte Einladung); vgl. auch Briefe von Franz Jonas
an EL. Wien, 19. September und 18. Oktober 1960. WBR, ZPH 922a. Vgl. auch Express,
21. 9. 1962, S. 5.
1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes
gelten«346
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478