Seite - 349 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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Als dieser Entschluss in der Öffent lichkeit bekannt wurde, sprachen viele
Lothar ihr Bedauern über diesen Schritt aus.88 Ernst Lothar selbst hatte bereits
seit Längerem darüber nachgedacht, seine Karriere als Regisseur zu beenden.
Neben gesundheit
lichen Gründen und den zum Teil mehr persön
lichen als sach-
lichen Bewertungen seiner Regieleistungen in den Zeitungen spielte bei seiner
Entscheidung vor allem die Tatsache eine Rolle, dass sich die Beziehungen
zwischen ihm und seinem ehemaligen Schwiegersohn Ernst Haeusserman ab
1945 rapide verschlechtert hatten, Lothar sprach von Haeusserman schließ
lich nur
noch als von dem »Unhold« und dem »Parch«.89 Er fühlte sich von Haeusserman
nur mit Worten gewürdigt.90 Generell war die Situa tion am Burgtheater für
viele der dort beschäftigten Autoren, Regisseure und Schauspieler unbefriedi-
gend.91 Am 8. Dezember 1961 hatte Lothar Burgtheaterdirektor Haeusserman
um die Versetzung in den dauernden Ruhestand mit Ende des Jahres ersucht,
in einem Schreiben vom 31. Dezember präzisierte er ihm gegenüber die Gründe
für seine Entscheidung:
Drei der Inszenierungen, die zu den nachhaltigsten Erfolgen Ihrer ersten Spielzeit
zählen (»Das weite Land«, »Der Schwierige« und »Anatol«)[,] stammen von mir.
Trotzdem haben Sie mir für die laufende Spielzeit nichts als eine Bühnenfassung von
Schnitzlers »Leutnant Gustl« angeboten – auch dies nur, weil [S]ie eine geeignete
Rolle für einen kurzfristig verpfichteten Schauspieler suchten. Seit der Übernahme
Ihrer Direk tion haben Sie mir in kein einziges neues Stück Einsicht gegeben, noch
haben Sie einen Rat von mir erbeten, und, wenn ich ihn dessenungeachtet gab, ihn
nicht befolgt. Dagegen haben Sie mir, als Herr Noelte die Regie von Ibsens »Volks-
feind« ablehnte, inständig angelegen, diese, wie Sie wußten, undankbare Aufgabe […]
binnen wenigen Wochen, mit viel zu wenigen Proben und noch dazu zu der Zeit
88 So bspw. Heinrich Schnitzler und Milan Dubrovic (Brief von Milan Dubrovic an EL. Bad
Godesberg, 23. Dezember 1961. WBR, ZPH 922a). Schnitzler bedankte sich darüber hinaus
bei Lothar dafür, dass er immer für das Werk seines Vaters eingetreten und ihm »die Wieder-
geburt« von dessen Dramen »auf den deutschsprachigen Bühnen nach dem Kriege größtenteils
zu verdanken« sei (Brief von Heinrich Schnitzler an EL. Wien, 25. Dezember 1961. WBR,
ZPH 922a).
89 Parech, Parch, der: jidd. parrach »Grind«, »Grindkopf«. Hans Peter Althaus: Kleines Lexikon
deutscher Wörter jiddischer Herkunft, S. 157. – Vgl. Briefe von EL an AG. Semmering, 9. März
1961, Wien, 17. April 1960 und Flims, 15. September 1961. WBR, ZPH 922a.
90 1968 zog Lothar öffent
lich positive Bilanz über die in diesem Jahr endende Direk
tion Haeusserman
(Express, 18. 5. 1968, S. 5; vgl. ebd., 17. 6. 1968, S. 5).
91 Vgl. dazu und zur Direk tion Ernst Haeusserman: Der Spiegel, 7. 6. 1961, S. 61 – 64, hier S. 63.
Ehrungsreigen 349
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478