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schon damals ein Szenarium zu entwerfen trachtete,119 vorangetrieben. Obwohl
Haeusserman auf die Dramatisierung gedrängt hatte, schien er es mit der
Aufführung nicht eilig zu haben.120 1962 wurde Lothars Bühnenbearbeitung 121
von Norbert Kunze für das Fernsehen adaptiert und mit Peter Weck als Leut-
nant Gustav »Gustl« Wilfert und Hans Moser als Bäckermeister Johann
Habetswallner unter der Regie von John Olden verfilmt. Anfang 1963 traf
Lothar den Regisseur und diskutierte mit ihm über den Schluss der Verfilmung:
»Jener Olden war […] bei mir. Er sieht schlurfartig aus und hat mir, ehr lich
gestanden, keinen überragenden Eindruck gemacht; über den Schluß haben
wir uns geeinigt«, teilte Lothar seiner Frau mit und auch, dass das Film ende
nun »pointenlos«, aber »Schnitzlerischer« ausgefallen sei.122 Heinrich Schnitzler
wiederum scheint nicht dieser Ansicht gewesen zu sein, er war es auch, der
Lothar auf Diskrepanzen zwischen seiner Dramatisierung und dem Drehbuch
hinwies, was dieser zerknirscht zur Kenntnis nahm: »Ich mache mir Vorwürfe,
das Ganze bagatellisiert und nicht einmal das Drehbuch gesehen zu haben,
das man mir auch gar nicht anbot.« 123
Der Film, der sowohl von Schnitzlers Novelle als auch von Lothars Dramati-
sierung abwich,124 ersetzt »die satirische Schärfe« Schnitzlers durch »Sentimen-
talisierung«: Leutnant Gustl muss sich doch vor einem Ehrenrat verantworten,
am Schluss kommt es zu einem »Freispruch und versöhn liche[n] Ende mit der
militärischen Obrigkeit und im Privaten«.125 Mittelpunkt des Handlungsab-
laufs bei dem TV-Spiel ist nun »eine Gerichtsszene, in der letzt
lich der falsche
Standesdünkel angeklagt ist« 126.
Auswahl, darunter Ernst Lothars Entwurf (vgl. Brief von Heinrich Schnitzler an EL. o. O.,
16. März 1960. ÖTM, Nachlass Heinrich Schnitzler. E 4812 Schn. 33/20/74).
119 Vgl. Brief von Heinrich Schnitzler an EL. Los Angeles, 10. Juli 1953; siehe auch Brief(-Ent-
wurf) von Ernst Lothar an Heinrich Schnitzler. Morzg, 15. Juli 1953 und Brief von EL an AG.
Wien, 19. Juni 1953. WBR, ZPH 922a. – Lothar hatte sowohl in den 1930er als auch in den
1950er Jahren die Op tion, Leutnant Gustl zu dramatisieren, ungenützt verstreichen lassen.
120 Vgl. Brief von EL an AG. Flims, 16. September 1961. WBR, ZPH 922a.
121 EL: Leutnant Gustl. Komödie nach Arthur Schnitzler. Szenarium. Manuskript. 94 S. a. a. O.
122 Brief von EL an AG. Wien, 6. Januar 1963. a. a. O.
123 Brief von EL an AG. Wien, 27. Januar 1963. a. a. O.
124 So wurde der Antisemitismus des Leutnants weggelassen. – Eine vergleichende Analyse von
literarischer Vorlage, Lothars Dramatisierung und Kunzes Drehbuch hat Friedrich Knilli
vorgenommen (Friedrich Knilli: »Lieutenant Gustl« – ein k. u. k. Antisemit aus bundesrepu-
blikanischer Sicht).
125 Peter Roessler: Aufbruch nach Gestern, S. 67.
126 Die Presse, 7./8. 9. 1963, S. 6.
Ehrungsreigen 355
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478