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Joseph Lanner – Leben und Werk
Lunge nur auf 90 Hops-Meilen berechnetÂ
… Rechnet man nun den Winter zu 6 Monath und alle 14 Tage
einen Ball, so gibt dieĂź 12 Cotillons jeden Winter, und in 5 Jahren ist die Dame todt. Bedarf es noch mehr
Beweise, um den Cotillon einen strafbaren Tanz zu nennen?“), und für 3.) zählt der Verfasser nicht nur
die tanzenden, sondern auch die zuschauenden Damen und Herren („ … boshafter Weise die Tapisserie
genannt“) zusammen, wobei, wer bloĂź zusieht, alleine dadurch in Gefahr zu geraten droht („Â
… dass, wer
36 Cotillons zusah, ohne geholt zu werden [gemeint ist: ohne von einem Herrn zum Tanzen aufgefordert
zu werden], geradezu umfällt und todt ist.“), und kommt zum Schluss: „Â
… so konsumiert dieser besagte
Tanz jeden Winter … 11 Personen. Legt man nun eine Bevölkerung von mittlerer Sorte zum Grunde, …
so ergibt sich, daß in unserem blühenden Vaterlande alljährlich bloß durch Cotillons eine unglaubliche
Menge junger Leute ins Grab beißen, ganz abgesehen von dem Verluste, den die schönere Hälfte der Ge-
sellschaft durch Schnürleiber, Florkleider im Winter bey 20 Grad Kälte, kühlende Getränke nach forcier-
ter Hitze erleidet … und folglich ist obige Behauptung von der Verwerflichkeit des Cotillons erwiesen.“
Quadrille
An der Quadrille lässt exemplarisch sich zeigen, wie eine Tanzform sich ausbreitet und in anderen Län-
dern populär wird, wie reisende Musiker – in diesem Fall Strauß Vater – durch die Begegnung mit einem
Tanzmusikkomponisten angeregt werden, sich einem neuen Tanz zu widmen, wie das Verlagswesen einen
Komponisten bekannt machen konnte, dessen Namen die Wiener ansonsten nicht einmal vom Hören-
sagen gekannt hatten.
Ihren Ursprung hat die Quadrille wie viele Gesellschaftstänze in Frankreich. Hervorgegangen ist sie aus
den englischen Country dances, ihr Name verweist auf die Kreuzaufstellung in ritterlichen Turnierspie-
len. Die Quadrille wurde in das Ballett ĂĽbernommen und dadurch so bekannt, dass sie sich zu einem
Gesellschafstanz entwickelte. Ab ca. 1820 wurde sie in Deutschland eingefĂĽhrt, dann in Ă–sterreich. 1826
erwähnt die Theaterzeitung unter dem Titel „Pracht und Reichtum der Carnevals-Festlichkeiten“ Quad-
rillen, die nach Romanen von Walter Scott dargestellt wurden.167 Aber erst Johann StrauĂź Vater, der die
Quadrille auf seinen Reisen nach Paris vor Ort studieren konnte, machte sie in Wien heimisch. Philippe
Musard (1792–1859), einer der bedeutendsten französischen Tanzmeister, schrieb selber Quadrillen über
beliebte Opernmotive, seine Werke erschienen in Wien bei Mechetti im Druck.168 Johann StrauĂź Vater
spielte ab etwa 1839 Quadrillen in Wien, worĂĽber ausfĂĽhrlich berichtet wurde.169
Die Quadrille besteht aus fünf Touren, die Titel sind in der Regel in den Kompositionen vermerkt: „Le
Pantalon“ (ihren Namen hat sie vom volkstümlichen Lied „Le pantalon de Toinon n’a pas de fond“, sie
umfasst 32 Takte im 6/8- oder 2/4-Takt), „L’Été“ (32 Takte im 2/4-Takt), „La Poule“ (6/8-Takt, die beglei-
tende Musik erinnert an das Gegacker einer Henne), „La Pastourelle“ (ihre Musik hat ländlichen Cha-
rakter, sie steht im 2/4- oder 6/8-Takt) und Finale. Um 1800 wurde durch den Tänzer Trénitz eine weitere
Tour zwischen der 3. und 4. eingeführt, die nach ihm „La Trénis“ (32 Takte im 2/4-Takt) benannt ist.
Ähnlich wie beim Cotillon verarbeiteten Komponisten gerne populäre Opern- oder Operettenmelodien,
im Titel wird darauf Bezug genommen.
In Wien wurde die Quadrille gegen die etablierten Galoppe und Walzer ausgespielt: man begrĂĽĂźte den
langsamen, wĂĽrdevollen Tanz, der dem ausgelassenen Treiben Einhalt gebieten sollte. Mechetti druckte
im Carneval Quadrillen von Jullien („Quadrille sur des Motifs de Ch. Plautade“), Tolbesque („Les Diab-
les en Vacances“, „Quadrille sur des Motifs de la Norma de Bellini“ mit dem Hinweis: „avec Accomp. de
Violon ou Flûte ad libitum“) und Musard.170
167 Theaterzeitung 7. 3. 1826.
168 Siehe auch Der Wanderer, 12. 2. 1841.
169 Siehe Theaterzeitung 4. und 8. 5. 1839.
170 U. a. „Wiener Zeitung“ 15. 1. 1839.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang