Seite - 58 - in Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Bild der Seite - 58 -
Text der Seite - 58 -
58
Joseph Lanner – Leben und Werk
ren begann“, getanzt würde. „Neu ist der 3. Teil, somit wird eine komplette contredance anglaise getanzt.“
Zuweilen wird die Quadrille in einem Atemzug mit „Mazurs“ genannt, Ankündigungen mit „Lance-Mi-
nuets“ erscheinen fallweise, ohne dass aus der Schreibweise rekonstruierbar wäre, ob es sich um zwei ver-
schiedene Tänze handelt oder um eine spezielle Ausführung, über die nichts überliefert ist.175
In Lanners Schaffen spielen Quadrillen keine übermäßig bedeutende Rolle, manche erhielten nicht ein-
mal eigene Titel.
Im August 1833 veröffentlichte Mechetti Lanners erste im Frühjahr entstandene Quadrille op. 68 unter
dem einfachen Titel „Quadrille francaise“, von der sich immerhin eine Stimmenabschrift erhalten hat.
Ob allerdings tatsächlich jemals die in der „Wiener Zeitung“ angekündigten Bearbeitungen für Klavier
zu vier Händen, Violine und Klavier sowie 3 Violinen und Bass erschienen sind, ist mehr als fraglich. Die
weiteren Quadrillen (op. 137, 151 und 152 aus 1839) tragen keine Titel, so wenig wie die ein Jahr später
entstandene Quadrille op. 164, in der Lanner Themen aus „Der Postillon von Lonjumeau“ verarbeitete.
In der Quadrille op. 152 schiebt Lanner eine Tour „Trocadero“ ein. „La victoire de la Danse“, Quadrille
op. 179 wurde am 15. 2. 1841 in der „Goldenen Birn“ auf einem Festball unter dem Titel „Apollos Aufruf
an die Grazien oder Der Sieg der Tanz-Musik“ erstaufgeführt. Von dieser Quadrille existiert die auto-
graphe Partitur, ebenso von „Souvenir des Artistes“, Quadrille op. 184, welche wahrscheinlich am 29. 1.
1842 im Saal zur „Goldenen Birn“ zusammen mit der Cerito-Polka und „Les Adieux“ aufgeführt wurde.
„Jagd-Quadrille“ op. 190, erstaufgeführt am 31. 1. 1842 (vom Autograph fehlt das Finale), „Rouge et noir“
op. 199 und die „Victoria-Quadrille“ op. 207, mit welcher auch Lanner der englischen Königin seinen
Tribut zollte, schlieĂźen Lanners Wirken in diesem Genre ab. Ob die in Ballanzeigen am 11. 2. 1841 bzw.
nahezu identisch lautend am 18. 1. 1842 angekündigten „Quadrills nebst Lance-Minuet“ tatsächlich von
Lanner stammten oder er Werke anderer Komponisten spielte bzw. fremde Werke bearbeitet hatte, lässt
sich nicht mehr feststellen. Vorhanden sind Fragmente bzw. eine Quadrille francaise D-Dur im Auto-
graph, die allerdings nie im Druck erschien und ĂĽber deren AuffĂĽhrung wir keine Kenntnis haben.
In der Formbehandlung lehnte Lanner sich weitestgehend an das vorgegebene Schema an. FeinfĂĽhlig ist
seine Instrumentation, in der er den exquisiten französischen Tonfall zu treffen suchte. In den erhaltenen
Autographen findet sich z. B. in der Schlagzeugstimme bei der groĂźen Trommel jedes Mal der Hinweis:
„ohne Teller“ (d. h. ohne das damals obligate Becken).
Menuett
Das Menuett war der Gesellschaftstanz der höheren Schichten schlechthin. Seine Wurzeln lassen sich bis
ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen, seinen Namen hat er aus der französischen Bezeichnung für klein
und zierlich = menu. Seinen Aufstieg verdankt das Menuett Ludwig XIV., unter dem das Menuett als
Hoftanz eingefĂĽhrt wurde. Als Gesellschaftstanz kam es im 19. Jahrhundert aus der Mode, stilisiert fand
es Eingang in die klassische Sinfonie, wo es zum Scherzo weiterentwickelt wurde. In Wien zur Zeit des
Wiener Kongresses galt das Menuett als Relikt einer untergehenden Zeit, dem Beethoven in seiner 8.Â
Sin-
fonie ein ironisches Denkmal setzte.
Dabei war das Menuett in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beim Volk beliebt gewesen. Haydns
Menuette wurden in Wirtshäusern gespielt, man darf annehmen, dass sich die Tänzerinnen und Tänzer
diese adelige Form fĂĽr ihre jeweiligen BedĂĽrfnisse adaptiert hatten. Wie in den Sinfonien dĂĽrfte sich das
Tempo beschleunigt haben, wie Haydn selbst noch feststellen musste.
Lanner schrieb keine Menuette, auf den volkstümlichen Tanzveranstaltungen waren sie längst aus der
Mode gekommen, auf den Hofbällen hingegen hielten sie sich, wobei Lanners Kapelle auf existierende
Menuette zurĂĽckgegriffen haben dĂĽrfte.
175 Siehe u. a. „Wiener Zeitung“ 11. 2. 1840.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang