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Joseph Lanner – Leben und Werk
Lexika (siehe das Kapitel „Tanz“) beschreiben Tanz vornehmlich als Geschichte des Tanzes, als Geschichte
der Tanzformen und ihrer Bewegungen, und gehen auf die dabei verwendeten Musikinstrumente nur we-
nig ein. Hinderlich ist, dass wir von den frühesten Tanzdarstellungen – von den Höhlen- und Steinzeich-
nungen bis hin zu Abbildungen der griechischen Antike – zwar viel über die Tanzabläufe, wenig aber über
die verwendete Musik erfahren. Abbildungen von Musikern existieren zwar, doch sind uns viele Instru-
mente unbekannt oder in ihrer Spielweise nicht mehr zugänglich. Aufzeichnungen über die verwendete
Musik fehlen weitestgehend (so sie überhaupt existiert haben – man kann davon ausgehen, dass gerade
Tanzmusik entweder improvisatorischen Charakter hatte oder von den Ausübenden aus dem Gedächtnis
nach bekannten Mustern gespielt wurde), und selbst dort, wo wir den Notentext entschlüsseln können,
existieren kaum Vorstellungen von Klang und Tempi.
Sicheren Boden betreten wir erst mit dem Mittelalter, und ab der Wiener Klassik können wir von einer Tanz-
und Musiziertradition ausgehen, die bis in unsere Tage reicht. Mögen sich Instrumententechniken und Spiel-
weisen langsam verändert haben, das Lannersche Instrumentarium ist uns im Großen und Ganzen vertraut.
Die Tanzmusik der Wiener Klassiker (siehe dort) ist entweder fĂĽr kleinere Ensembles geschrieben oder
überhaupt für Klavier (Schubert). In Haydns und Mozarts Menuetten und Deutschen Tänzen fällt auf,
dass das Streichorchester in der Regel ohne Bratschen – nur mit zwei Violinen und Bass – auskommt.
Diese Besetzung verwendete Mozart in der Kirchenmusik, in der sinfonischen hingegen war die Bratsche
längst Standard. Die Trioformation hielt sich bis weit ins 19. Jahrhundert. Bläser, Pauken und Schlagzeug
verwendete Mozart in den unterschiedlichsten Kombinationen, Oboen und Hörner häufig, Trompeten
und Pauken für festliche Tänze gerne. Aber auch Instrumente, für die er ansonsten nicht schrieb, finden
sich in den Partituren, etwa die Leier (Musette). Neben der Flöte setzt Mozart die „Pickelflöte“ ein, ge-
meint ist ein Vorläufer des Piccolos (siehe unten), über die Transposition (loco oder oktaviert) ist sich
Mozart selbst oft nicht im Klaren. Da Mozart für Hofbälle oder andere Tanzveranstaltungen in geschlos-
senen Räumen schrieb, kann man von nicht allzu üppig besetzten Formationen ausgehen.
Die Biographien Lanners zeichnen in der Regel eine scheinbar linear verlaufene Karriere, die von ein-
fachen Verhältnissen ausgehend eine stetige Steigerung bis hin zum abrupten Abbruch durch Lanners
frühen Tod durchläuft. Als ein Indikator unter anderen wird die stetige Vergrößerung des Lannerschen
Orchesters gesehen. Studiert man das Werkverzeichnis Lanners unter dem Gesichtspunkt der Instrumen-
tationen, so kann man neben der ständigen Ausweitung des Apparates auch die technische Weiterent-
wicklung einzelner Instrumente ĂĽber einen Zeitraum von nahezu zwanzig Jahren verfolgen.
1825 erscheinen die ersten mit Opuszahl versehenen Werke bei Diabelli. FĂĽr die ersten drei Werke sind
uns keine Orchesterstimmen ĂĽberliefert, das frĂĽheste Werk, fĂĽr welches Stimmenabschriften vorliegen,
sind die „Jewatsdorfer Ländler“ op. 4. Da die davor liegenden Werke im gleichen Zeitraum entstanden
sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Orchesterbesetzung gleich gewesen sein dĂĽrfte.
Die Lannersche Kapelle umfasste demnach zumindest elf Musiker. An Holzbläsern standen eine Flöte
und zwei Klarinetten zur Verfügung, ergänzt durch drei Blechbläser (zwei Hörner, welche auch Trompete
spielten und eine weitere Trompete), eine Pauke, an Streichern drei Violinen und Bass. Diese Besetzung
entspricht ziemlich genau jener, die Philipp Fahrbach sen. in seinem im März 1847 in der „Wiener all-
gemeinen Musik-Zeitung“ erschienenen Artikel „Geschichte der Tanzmusik seit 25 Jahren“ als für diese
Zeit typisch anfĂĽhrt.209
Wachsende Bekanntheit erlaubten Lanner die stete Vergrößerung seines Orchesters, so dass er auf dem
Höhepunkt seiner Komponistentätigkeit über einen nahezu vollständigen Klangapparat verfügen konnte.
209 Wiener allgemeine Musik-Zeitung März 1847, zitiert nach N. Rubey in: Lanner-Katalog, Wien 2001, S. 78.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang