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Joseph Lanner – Leben und Werk
tieferen (in A bei Kreuztonarten, in B bei B-Tonarten oder in C) notiert. In heutigen AuffĂĽhrungen
sind diese Unterschiede leider meist aufgehoben, da routinemäßig auf A- oder B-Klarinetten gespielt
wird und die Partien transponiert werden. Der ganz eigene scharfe Ton der hohen Klarinetten geht
verloren, nicht zuletzt auch dadurch, dass die groĂźe Streicherbesetzung, wie sie heute ĂĽblich ist, die
solistischen Bläser in den Hintergrund drängen. Der Part der ersten Klarinette ist stets sorgfältig gear-
beitet mit vielen solistischen Passagen, gerne legt Lanner melodische Themen in die erste Klarinette,
die durch Terz- und Sextkopplungen von der zweiten Klarinette unterstĂĽtzt wird.
d. Fagott: ähnlich wie die Oboe taucht das Fagott erst später in den Lannerschen Partituren auf. In der
Klassik zunächst als Verstärkung der Basslinie ohne eigenes System, wird es mit Haydn zu einem
wichtigen Mitspieler in der Holzbläsergruppe. Bei Lanner ist nicht denkbar, dass ein Fagott lediglich
die Basslinie mitgespielt hat, obwohl es vereinzelt Stimmenabschriften gibt, in welchen das Fagott
als Ersatz für das Violoncello bezeichnet wird. Erstmals im „Kirchweih-Ländler“ op. 13, taucht es in
weiterer Folge in einigen Tänzen auf. Durchwegs ist nur eine einzelne Stimme notiert, obwohl Lan-
ner z. B. in der erhalten gebliebenen Partitur zum „Blumen-Fest-Ländler“ op. 23 die Stimmbezeich-
nung „Fagot[sic!]i“ wählt. In den bereits erwähnten „Redout-Carneval-Tänzen“ op. 30 finden sich
zwei Fagottpartien, ähnlich wie bei den Oboen dürfte ausnahmsweise eine große Besetzung gewählt
worden sein. Wie bei den Oboen wurden Fagotte oft in späteren Abschriften ergänzt (siehe Oboe).
2. Blechbläser
Hatten Blechbläser (gemeinsam mit der Pauke) in der Klassik noch hauptsächlich die Aufgabe, die
wichtigsten harmonischen Stufen (Tonika, Dominante) zu markieren und Höhepunkte effektvoll zu
unterstützen, ermöglichte der technische Fortschritt den Komponisten, diese Instrumente vermehrt
am thematischen Geschehen teilhaben zu lassen. Trocken beschreibt Philipp Fahrbach sen. in einem
im März 1847 in der „Wiener allgemeinen Musik-Zeitung“ erschienenen Artikel diese Vorzüge: „ …
man wurde dadurch in den Stand gesetzt, modulirte Passagen durch die Metallinstrumente anwenden
zu können wodurch sie auch ihre ursprüngliche Bestimmung verloren, blos Lärm zu machen.“210
a. Hörner und Trompeten: in praktisch allen Werken Lanners, in denen diese Instrumente vorkommen,
finden wir den Wechsel von Hörnern zu Trompeten. Die beiden Hornisten mussten demnach eben-
falls Trompete spielen können211. Dadurch ergänzt Lanner die ursprünglich alleine spielende Trom-
pete zu einem dreistimmigen Trompetensatz, später zu einem vierstimmigen (die beiden Trompeten
wechseln übrigens nicht). (In den mehrfach erwähnten „Redout-Carneval-Tänzen“ kommen gleich
sechs Trompeten zum Einsatz). Innerhalb dieses Satzes spielt(en) die Originaltrompete(n) die Ober-
stimmen, die von Horn zu Trompete Wechselnden spielen die Unterstimmen. In der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts wurden die Partien ausgeschrieben, wobei es zu einer quasi Umkehrung kam:
Vier Hörner und zwei (in Ausnahmefällen drei) Trompeten wurden Standard, gewechselt wurde nicht
mehr. Deshalb wurden die ursprünglichen tiefen Trompetenpartien für die Hörner umgeschrieben
(die reale Lage blieb erhalten, da die Trompetenpartien tief lagen, also in einer normalen höheren Lage
für Hörner). Diese Wechsel ermöglichen Lanner eine breitere Klangpalette: gerne lässt er Trompeten
beginnen (fĂĽr eine besonders wirkungsvolle Einleitung), in der Walzerfolge wechseln die Instrumente
ab (z. B. Hörner im 1., 3. und 5. Walzer, Trompeten im 2. und 4., aber alle anderen möglichen Kom-
binationen sind denkbar), in der Coda erfolgen erneute Wechsel, je nachdem, welche Walzerteile wie-
derholt werden. Dieses System wird fast ausschlieĂźlich in den Walzern angewandt, bei Galoppen hin-
gegen bleibt die strikte Trennung von Hörnern und Trompeten aufrecht (Galoppe sind kurze Stü cke,
in welchen die Wechsel nicht zur Kontrastbildung benötigt werden, außerdem setzt Lanner in Galop-
pen fast durchwegs nur Trompeten ein, die klangcharakteristisch fĂĽr einen ausgelassenen Tanz sind
und weiters besser den bei einem Galopp deutlich höheren Lärmpegel auf der Tanzfläche übertönen
konnten). Thematisch werden Hörner und Trompeten einerseits für die typische Walzerbegleitung
210 Ebd.
211 Eine im Katalog zur Lanner-Ausstellung der Wienbibliothek 2001 (siehe auch Literatur) reproduzierte Bleistiftzeichnung
von Friedrich Treml (undat., wahrscheinlich 1841) zeigt einen Musiker, welcher Trompete spielt und das Horn unter sei-
nem Arm eingeklemmt hält, ein Beweis für die damals übliche Musizierpraxis, bei welcher die Musiker zwischen Horn und
Trompete zu wechseln hatten.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Titel
- Joseph Lanner
- Untertitel
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Autor
- Wolfgang Dörner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Abmessungen
- 21.0 x 29.5 cm
- Seiten
- 752
- Schlagwörter
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang