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Joseph Lanner - Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Seite - 105 -
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105 FunktionalitĂ€t – Autonomie – Interpretation Wiedergabe nicht reflektiert werden mussten. Mit dem Aufkommen des autonomen Kunstwerks wurden Fragen der Interpretation verstĂ€rkt gestellt: Sulzers Forderung nach vollkommener Darstellung des Cha- rakters und Ausdrucks des StĂŒckes konnte nur von Musikern erfĂŒllt werden, welche auf höchstem Niveau Diener am Werk und gestaltungswillig-selbstbewußte Herren (in seltenen FĂ€llen Damen) zugleich waren. „Der wackere Lanner ließ seine Wundergeige tönen  
“264, so und Ă€hnlich wird Lanners Wirkung beim Publikum beschrieben. „Man muss sie hören und von ihm hören, wenn man den Enthusiasmus der Wiener begreifen will“265, hatte es einen Monat zuvor ĂŒber die UrauffĂŒhrung der „Amoretten-TĂ€nze“ geheißen (gemeint sind die „Amoretten-Walzer“ op. 53). Ob die Fama stimmt, Lanner hĂ€tte eine Stradivari-Geige aus 1724 besessen, welche seiner Tochter Katha- rina spĂ€ter wĂ€hrend einer Russland-Tournee gestohlen wurde, lĂ€sst sich nicht mehr verifizieren.266 Gesi- chert ist der Besitznachweis fĂŒr ein Instrument von Franz Geissenhof aus 1817.267 Lanners Fertigkeit als Violinspieler wurde bereits mehrfach erwĂ€hnt („  
 durch die schnellwechselnden pikanten Stricharten, die er als geistige Nuancirung seines Spiels meisterhaft anzubringen weis.“268, „  
 wo seine Leichtigkeit und Sicherheit, mit welcher er ĂŒber die schwierigsten Passagen hinweggleitet, der reine Strich und das GefĂŒhl, mit dem er derlei schwierige Piecen vortrĂ€gt, allgemeine Bewunderung erregen.“269), sein Spiel war aber nie Selbstzweck: „Wenn seine einschmeichelnden Zaubertöne bald wie zartes LiebesgeflĂŒster erklingen, bald wie die FlĂŒgel der Windsbraut dahinstĂŒrmen, dann zertheilt sich der Nebelvorhang des dĂŒsteren GemĂŒthes, und ein Himmel voll Geigen lacht dem Horchenden entgegen.“270 Gleich Orpheus, der mit seinem betörenden Geigengesang Cerberus und die Furien zu besĂ€nftigen wusste, zog Lanner das Publikum in seinen Bann. Als Komponist schrieb er sich die Partien auf den Leib, als Interpret setzte er sie adĂ€quat um. Dem Klavier gegenĂŒber nutzte er alle klanglichen Vorteile der Geige wie des Orchesters, reizte die Bandbreite von Emotionen aus, ohne in billigen Kitsch zu verfallen. Er traf den Tonfall, der der Stimmung seiner Zuhörerschaft entsprach, mischte Heiterkeit mit Melancholie, hellte trĂŒbe Winteraben- de auf, begleitete den selbst bei strahlendstem Sonnenschein Misanthropen. „  
 wo seine gemĂŒthlichen, zum Tanze lockenden Melodien ertönen, da schwindet der böse Gast Mißmuth und glĂ€ttet die vom Kummer gefurchte Stirn des mal-content.“271 Beklagt wird hĂ€ufig, dass es fĂŒr klassische und frĂŒhromantische Musik keine durchgehende AuffĂŒh- rungstradition gĂ€be. Die Tanzmusik seit Lanners Zeit kann stolz darauf verweisen. Weit mehr als in Sinfonien und Opern ist der Interpret bei Lanner und Strauß gefordert: die vielfĂ€ltigen Tempomodifi- kationen, das augenzwinkernde „Als ob“, das fĂŒr den richtigen Vortrag charakteristisch und unerlĂ€sslich ist, das sich nicht notieren und nie erklĂ€ren, sondern nur ausprobieren, spielen und spĂŒren lĂ€sst (und da- mit regelmĂ€ĂŸig zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen um die „Richtigkeit“ der Interpretation wird), bilden nicht nur Teil der Komposition, sondern sind dessen Voraussetzung. Wie Gustav Mahler schuf Lanner kleine Kosmen, die Freude und Trauer, Werden und Vergehen, SimplizitĂ€t und KomplexitĂ€t der Welt auf kleinstem Raum zu versammeln wissen. „Seine [Lanners] Walzer sprechen in musikalisch- allegorischer Weise von dem Wohl und Weh‘ der ersten Liebe, vom Herzklopfen, von Treulosigkeit und Aussöhnung; seine Walzer schildern in elegischen Tönen einen ganzen modernen Roman. Man möchte dabei bald vor Lust vergehen, wenn man nicht wĂŒsste, daß alles nur – Musik sei.“272 Wie Schubert, der in seinen Liederzyklen Lebensbilder von der Wiege bis zur Bahre skizzierte, stellte Lanner die einzelnen Walzerteile unter die ĂŒbergeordnete Idee, in nicht ganz zwölf Minuten ganze Dramen an uns vorĂŒber- ziehen zu lassen. 264 Theaterzeitung 10. 11. 1831. 265 Theaterzeitung 13. 10. 1831. 266 Lanner-Katalog S. 177. 267 Ebd. 268 Theaterzeitung 25. 2. 1837. 269 Der Wanderer 22. 8. 1840. 270 Theaterzeitung 24. 10. 1833. 271 Der Wanderer 5. 2. 1841. 272 Der Wanderer 6. 3. 1841.
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Joseph Lanner Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
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Titel
Joseph Lanner
Untertitel
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
Autor
Wolfgang Dörner
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78793-8
Abmessungen
21.0 x 29.5 cm
Seiten
752
Schlagwörter
Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. Danksagung 9
  3. Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
  4. Biographische Notizen 13
  5. Reisen 16
  6. Beginn – Werden – Sein 21
  7. VorlĂ€ufer – MitlĂ€ufer – Nachfolger 23
  8. Tanz 28
  9. BĂ€lle – TanzstĂ€tten – AuffĂŒhrungsorte 32
  10. Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
  11. Akademie – AssemblĂ©e – Conversation – Piquenique – RĂ©union 42
  12. Publikum 44
  13. Werke 46
  14. Instrumentation 69
  15. Formen 79
  16. Notenmaterialien 86
  17. WidmungstrÀger 95
  18. Titel 97
  19. Verlage 100
  20. Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
  21. FunktionalitĂ€t – Autonomie – Interpretation 102
  22. Virtuosentum 106
  23. Romantik – Biedermeier 108
  24. Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
  25. Rezension – Rezeption 113
  26. FlĂŒchtige Lust 115
  27. Literatur 117
  28. I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Vorwort 119
    2. Verlage 123
    3. AbkĂŒrzungen 123
    4. Bisherige Verzeichnisse 125
    5. Werkverzeichnis
    6. Opus 1 – 208 127
  29. II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
    1. Werkverzeichnis Anhang 1 – 90 e 605
  30. III. Sammelwerke und diverse Werke 717
  31. IV. Anhang
    1. Verzeichnis der Werke Joseph Lanners in alphabetischer Reihenfolge 721
    2. WidmungstrÀger 737
    3. August Lanner. Chronologisch-Thematisches Werkverzeichnis 739
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