Seite - 13 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Bild der Seite - 13 -
Text der Seite - 13 -
Einige weitere Fragen haben sich erst im Laufe der Forschungsarbeit wäh-
rend der ersten Projektsäule bei den Modulen Lehrbuchanalyse, Lehrplanana-
lyse und Studienplananalyse herauskristallisiert und wurden daher zusätzlich
ins Forschungsprogramm der Befragungsmodule aufgenommen. So hat etwa
die Lehrbuchanalyse aufgezeigt, dass der Kodex des österreichischen Deutsch
Schwächen und Lücken hat, die auch von anderen konstatiert worden sind. (vgl.
Ender/Kaiser 2009, 268)4. Es erschien uns sinnvoll, die Gelegenheit zu nutzen und
entsprechende Fragestellungen in die Erhebung mit aufzunehmen. Wir haben
beispielhaft danach gefragt, wie sich das im Kodex beschriebene österreichische
Standarddeutsch im Sprachgebrauch der LehrerInnen und SchülerInnen nach
deren Selbstauskunft abbildet, wie LehrerInnen und SchülerInnen einige ausge-
wiesene bzw. präsumptive Austriazismen zu verwenden angeben.
Untersucht wurde auch, ob es wesentliche Unterschiede in der angegebenen
Sprachverwendung, in den Spracheinstellungen und in den Konzeptualisierun-
gen gibt – und ob zum Beispiel zwischen LehrerInnen und SchülerInnen sowie
altersmäßig oder regional (und anhand von weiteren sprachlichen und außer-
sprachlichen Variablen) Unterschiede feststellbar sind.
Eine wichtige, immer wieder in der Literatur formulierte Hypothese ist die,
dass ÖsterreicherInnen eine geringe Sprachloyalität gegenüber der eigenen Varie-
tät aufweisen (z. B. Clyne 1995, Muhr 2005b, Schmidlin 2011, Ammon/Bickel/
Lenz 2016), die eigene Varietät nicht als gleichwertig betrachten bzw. nicht als
gleich korrekt wie deutsches Standarddeutsch, ja dass österreichische Lehre-
rInnen exonorm- orientiert korrigieren würden, d. h., sich nach der deutschen
Norm orientieren. Eine Reihe von Items in den Befragungsmodulen Fragebogen,
Interviews und Gruppen
diskussionen widmeten sich diesen Fragestellungen. Im
LehrerInnen- Fragebogen ging es bei einer Frage explizit um das lehrerseitige
Korrekturverhalten, in das wir anhand eines exemplarischen Schüleraufsatzes, der
von LehrerInnen in Hinblick auf normative Sprachrichtigkeit sowie stilistische
Angemessenheit korrigiert und kommentiert wurde, Einblick nehmen konn-
ten. Auch das Spannungsfeld zwischen österreichischem Deutsch und nationaler
Identitätskonstruktion wurde in diesem Kontext in den Blick genommen. Ein
weiterer Teil der Erhebung befasste sich mit der Verwendung von unterschied-
lichen Varietäten bei LehrerInnen und SchülerInnen, und zwar nicht nur in der
Schule, sondern auch im Kontext Familie/Freundschaft. Ergänzt wurden diese
Sprachverwendungsdaten schließlich mit der teilnehmenden Beobachtung in sie-
ben Klassen in vier Bundesländern, die die Daten der Befragung komplettierten.
Die Befragung wurde, wie schon erwähnt, unter LehrerInnen und Schüler-
Innen durchgeführt. LehrerInnen und SchülerInnen stehen dabei zum einen
natürlich für die jeweilige Gruppe und gleichzeitig auch für unterschiedliche
4 „Der österreichische Standard war und ist dabei relativ wenig kodifiziert.“ (Ender/Kaiser 2009,
268). Einleitung
| 13
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256