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zwei Ausprägungen eines sprachlichen Merkmals), welche die Grenze zwischen
Nieder- und Mitteldeutsch auffächert. Sie ist insofern wichtig, als die deutsche
Standardsprache im Wesentlichen auf den mittel- und oberdeutschen Dialekten
beruht, die man terminologisch auch als „Hochdeutsch“ zusammenfasst. Anders
verhält es sich mit „Niederdeutsch“, das im Jahr 1999 durch die europäische Charta
der Regional- und Minderheitensprachen
– linguistisch nicht unumstritten
– als
Regionalsprache anerkannt wurde, aber über keine Standardvarietät verfügt und
vom Sprachgebiet her im Wesentlichen auch vom Standarddeutschen überdacht
wird. Beim Terminus „Hochdeutsch“ schwingt auch eine Bewertung und soziale
Zuordnung mit. Im vorliegenden Kontext wird vorwiegend der Terminus „Stan-
darddeutsch“ (s. u.) verwendet. Eine allgemeine Beschreibung von grammatischen
Strukturen, Wortschatz und orthographischen Merkmalen der deutschen Spra-
che findet sich bei Ammon 2008 (162 – 169). Auf der Ebene der Standardsprache
wird die deutsche Sprache im Übrigen als besonders varianten- und varietäten-
reich charakterisiert.
In Deutschland ist Deutsch die Amtssprache. Deutsch ist in dieser Funktion
zwar nicht in der Verfassung verankert, aber z. B. in § 23 Verwaltungsverfahrens-
gesetz als solche festgelegt. Von den ca. 82,2 Mio. EinwohnerInnen im Jahr 2015
waren 8,7 Mio. AusländerInnen. 91 % der EinwohnerInnen besaßen die deutsche
Staatsbürgerschaft (Statistisches Bundesamt 2017). Für die Verleihung der deutschen
Staatsbürgerschaft sind Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen (auf dem
Niveau A 2+/B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen,
GER). Im Unterschied zu Österreich und der Schweiz hat die deutsche Sprache in
der Bundesrepublik Deutschland keine ausgeprägte nationalsymbolische Funktion.
Die regionale sprachliche Differenzierung der sprachlichen Variation innerhalb
Deutschlands erfolgt in sechs Regionen (Deutschland- Nordost/Deutschland-
Nordwest/Mittelost/Mittelwest/Südost/Südwest, Ammon et al. 2004). Was das
Verhältnis von Standard zu Dialekt betrifft, spricht man von „Dialektschwundge-
bieten“ im Norden (Ammon 2006, 1768) und einem Dialekt-
Standard-
Kontinuum
im mittel- und süddeutschen Raum (wie auch in Österreich und Südtirol): In der
Privatsphäre wird eher der Dialekt verwendet, in öffentlichen Sprachsituationen
und schriftlich in der Regel eher Standard, wobei der Dialektgebrauch zum Teil
schichtspezifisch verteilt ist. Auch die Standardsprache ist durch den Akzent regio-
nal gekennzeichnet. Neuere Forschungen nehmen überregionale Sprechstandards
an und versuchen diese empirisch zu erfassen (s. u.).
In der Schweiz sind von den 26 Kantonen der offiziell viersprachigen Schweiz
17 deutschsprachig, drei zweisprachig (Deutsch, Französisch) und einer drei-
sprachig (Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch). Die deutsche Sprache ist nach
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1999 eine der
vier „Landessprachen“ (neben Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, Artikel 4)
und eine von drei „Amtssprachen“ (neben Französisch und Italienisch, Artikel
70), das Rätoromanische hat eine eingeschränkte Rolle als Amtssprache. Nach
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| Theoretische Einordnung des
Forschungsgegenstandes18
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256