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Ausbau aus einem moselfränkischen Dialekt entstanden ist. Einflüsse in Form
von Entlehnungen gibt es v. a. aus dem Französischen. In Ostbelgien schließlich ist
Deutsch regionale staatliche Amtssprache der „Deutschsprachigen Gemeinschaft“,
die Teil der Wallonie ist. Rund 71.000 SprecherInnen des Deutschen machen 1,1 %
der Bevölkerung Belgiens aus. Mündlich und schriftlich herrscht der Standard
vor, teilweise auch in der Privatsphäre; es gibt ein Dialekt- Standard- Kontinuum
und Einflüsse der französischen Sprache.
Thema der vorliegenden Publikation ist die Variation der deutschen Sprache in
Österreich
– daher folgt nach diesem Exkurs ein Abriss zur Rolle der deutschen
Sprache in Österreich.
2.2.1 Die deutsche Sprache in Österreich
In Österreich ist Deutsch (im Sinn der im Alltag vorwiegend verwendeten Spra-
che 2) die „Umgangssprache“ der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, und
die sprachenrechtlichen Rahmenbedingungen sichern der deutschen Sprache eine
besondere Stellung zu: Sie ist nach Artikel 8, Absatz (1) der Bundesverfassung von
1920 die Staatssprache: „Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen
Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Repu-
blik.“ Weitere gesetzliche Regelungen, die die deutsche Sprache betreffen, finden
sich im Schulrecht: Deutsch ist (mit Ausnahme der Regelungen für die autoch-
thonen Minderheiten) die vom Gesetz festgelegte Unterrichtssprache (§ 16 Abs. 1
Schulunterrichtsgesetz SchUG). Weiters finden sich im Zuwanderungsrecht und im
Staatsbürgerschaftsrecht relevante Bestimmungen: Sowohl für die österreichische
Staatsbürgerschaft als auch für einen dauerhaften Aufenthalt von Angehörigen
aus so genannten Drittländern ist der Nachweis von Kenntnissen der deutschen
Sprache auf dem Niveau B1 des GER erforderlich. Die spezifisch österreichische
Varietät des Deutschen ist im Übrigen durch das „Protokoll Nr. 10 über die Ver-
wendung spezifisch österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen
der Europäischen Union“ rechtlich verankert. Darin wird festgehalten, dass die 23
im Protokoll aufgelisteten spezifisch österreichischen Ausdrücke der deutschen
Sprache (z. B. Faschiertes, Marille oder Topfen) „den gleichen Status [haben] und
mit der gleichen Rechtswirkung verwendet werden [dürfen], wie die in Deutschland
verwendeten entsprechenden Ausdrücke“ (vgl. de Cillia 1995; 1997; 1998, 78 ff; 2006).
2 Die bis 2001 im Abstand von zehn Jahren durchgeführten Volkszählungen in Österreich frag-
ten nach der „Umgangssprache“ in diesem Sinn: „Geben Sie bitte jene Sprache (auch mehrere
Sprachen) an, die Sie gewöhnlich im privaten Bereich (Familie, Verwandte, Freunde usw.)
sprechen. Fremdsprachenkenntnisse sind hier nicht anzugeben. Bei Personen, die (noch) nicht
sprechen können, wird die in ihrer Familie gesprochene Umgangssprache angeführt“ (Statistik
Austria 2002).
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| Theoretische Einordnung des
Forschungsgegenstandes20
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256