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schulischen Sprachenunterrichts letztlich darin besteht, eine kommunikativ
und situativ adäquate Verwendungskompetenz der jeweiligen Varietäten zu
vermitteln (s. u.).
Unter einer Standardvarietät wird nach Dittmar/Schmidt-
Regener (2001) „das
Subsystem einer Sprache verstanden, dessen Normen den höchsten Verbind-
lichkeitsgrad für alle Angehörigen einer politisch definierten Kommunikations-
gemeinschaft besitzen, da sie in Regelwerken kodifiziert und deshalb präskriptiv
sind.“ Die Standardsprache werde geschrieben, besitze überregionale Reichweite
und Gültigkeit, werde vorzugsweise in institutionellen Kontexten und offiziellen
Kommunikationssituationen benutzt und erscheine in der Alltagssprache niemals
in ihrer idealtypisch kodifizierten Norm (521 f). Und weiter: „Standardsprache
oder Standardvarietät ist die Bezeichnung für eine kodifizierte Sprache, die ihre
Verbindlichkeit als offizielle Nationalsprache eines Staates erhält und in der Regel
prestigebesetzt ist“ (a. a. O., 525). Die wertende Bezeichnung „Hochsprache“ werde
in diesem Zusammenhang als Synonym verwendet.
Die (korrekten) Normen einer Standardsprache werden nach Ammon (2005)
von so genannten „normsetzenden Instanzen“ gesetzt. Das Setzen von Normen
mache diese gültig, und die Gültigkeit der Normen erlaube oder gebiete es Norm-
autoritäten, von „Normsubjekten“ die Normbefolgung zu verlangen. Normen von
Nonstandardvarietäten würden informell gesetzt (Ammon 2005, 32). Als solche
normsetzenden Instanzen führt Ammon ModellsprecherInnen oder -schreiberIn-
nen an, z. B. NachrichtensprecherInnen in Massenmedien, SchauspielerInnen oder
SchriftstellerInnen. Auch Modelltexte fallen in diese Kategorie. Eine zweite Instanz
sei der „Sprachkodex“ 5. Kodizes, Wörterbücher, Regelbücher und Grammatiken
seien autoritative Nachschlagwerke für den „korrekten, also standardsprachlichen
Gebrauch“. Diese Kodizes müssten nicht unbedingt präskriptiv sein, heute sei
eher ein „deskriptiver Bescheidenheitsgestus“ typisch (35). Die dritte standard-
setzende Instanz seien die „Sprachexperten“, sprachwissenschaftliche Fachleute,
und die vierte Instanz seien „Sprachnormautoritäten“, d. h. alle Personen, „die
über ausreichende Macht verfügen
[…], um das Sprachhandeln anderer Personen
(der Normsubjekte) zu korrigieren.“ (36). Solche „Sprachnormautoritäten“ sind
nach Ammon primär LehrerInnen, AmtsvorsteherInnen, VerlagslektorInnen
oder RedakteurInnen. Für den Sprachstandard sei es typisch, dass die Hierarchie
der Normautoritäten letztlich bis zum/zur staatlichen Souverän/in hinaufreiche.
5 An anderer Stelle bezeichnet Ammon mit Kodex „alle Beschreibungen der betreffenden Sprache,
auf die sich Amtspersonen (z. B. Lehrer oder Beamte und Angestellte in staatlichen Ämtern und
Behörden) rechtens beziehen können, um die von ihnen verwendeten oder vorgeschriebenen
Sprachformen als korrekt zu legitimieren“. Er schränkt jedoch ein, dass die ausdrückliche Legi-
timation einer Sprachform durch den linguistischen Kodex keine notwendige Bedingung für die
Zugehörigkeit einer Sprachform zur Standardvarietät ist, denn kein linguistischer Kodex könne
die Standardvarietät einer Sprache, die sich ständig weiterentwickelt, vollständig beschreiben
(Ammon 1991, 19). Sprachliche Variation und deutsche Sprache
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256