Seite - 32 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
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Auch im vorliegenden Projekt waren einige Items der Befragungen der Frage
gewidmet, wie die ProbandInnen gegenüber der österreichischen Varietät ein-
gestellt sind (vgl. Kap. 6.4).
Das plurizentrische Modell hat neben dem auf diesem Konzept basierenden
Variantenwörterbuch (Ammon et al.
2004, Ammon/Bickel/Lenz 2016) eine Reihe
empirisch fundierter Arbeiten zur Folge gehabt (z. B. Markhardt 2005, Ransmayr
2006, Hägi 2006, Schmidlin 2011, Wissik 2014), ein Lehrbuch hervorgebracht
(Kellermeier- Rehbein 2014) und zur 2010 gegründeten, internationalen „Working
Group on Non- dominant Varieties of Pluricentric Languages“ 10 geführt. Insofern
kann die Plurizentrik trotz Kritik von unterschiedlichen Seiten als eine wissen-
schaftlich anerkannte, adäquate Modellierung der staatlich basierten regionalen
Variation der deutschen Standardsprache betrachtet werden. Im plurizentrisch
konzipierten Variantenwörterbuch werden aber durchaus auch länderübergrei-
fende und regionale Phänomene dokumentiert und für den bundesdeutschen
Raum sechs, für Österreich vier regionale Untergliederungen angenommen. Hier
könnte man auch von „regionaler Plurizentrizität“ sprechen (vgl. Reiffenstein 2001,
88). Das für eine solche kleinräumigere Gliederung des deutschen Sprachraums in
der Regel verwendete Modell ist das der Pluriarealität, das kein Gegenmodell zur
Plurizentrik darstellen muss, sondern als komplementär angesehen werden kann.
2.4.2 Pluriarealität
Das pluriareale Konzept (vgl. Ammon 1998) wurde zunächst in den 1990er-
Jahren – manchmal recht vehement (vgl. Scheuringer 1996, vgl. auch die sich
auf Scheuringer berufenden Seifter & Seifter 2015) – als eine konzeptuelle und
sprachenpolitische Gegenposition formuliert, wobei bisher (noch) keine weiter-
gehende theoretische Ausarbeitung bzw. kein systematisches Begriffsinventar
ähnlich dem des plurizentrischen Ansatzes zur Analyse vorliegt. Gemeinsam ist
den VertreterInnen des pluriarealen Konzepts die Ablehnung des plurizentrischen
Ansatzes, dem häufig unterstellt wird, „ideologisch“ zu sein (vgl. z. B. Wolf 1994,
Putz 2002, Glauninger 2007, Dürscheid/Elspass/Ziegler 2015, Seifter & Seifter
201511). Dieser Zugang existiert im Übrigen unseres Wissens nur im Bereich der
germanistischen Linguistik, in der laut Eichinger (2005, 2) ein „terminologischer
Kleinkrieg“ stattfinde – ein ähnlicher Ansatz für die englische, spanische oder
französische Sprache ist uns nicht bekannt. Dollinger (in Druck,
5) stellt zum Ter-
minus „pluri- areal“ fest, er sei “virtually unknown outside of German linguistics
10 http://www.pluricentriclanguages.org/about- us/ndv- working- group (18. 12. 2018).
11 Eine genauere diskursanalytische Betrachtung der wissenschaftstheoretischen Konzepte und
Ideologiebegriffe, die manchen dieser Publikationen zugrunde liegen, wäre eine interessante
epistemologische Frage. In unserem Kontext würde das allerdings zu weit führen.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Theoretische Einordnung des
Forschungsgegenstandes32
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256