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und letztlich dialektologische Zugangsweise des pluriarealen Zugangs der zeitge-
nössischen sprachlichen Realität im Bereich der Standardsprachen nicht gerecht
werde: „Treating international borders linguistically as merely regional boundaries,
as proposed by Scheuringer in the Austrian context, does not do justice to the
linguistic realities of the past 200 years in neither the Austrian nor the Canadian
context“ (Dollinger 2017, 98).
Eine von James Pfrehm im Rahmen seiner Dissertation (Pfrehm 2007, 2011b)
durchgeführte Spracheinstellungserhebung in Österreich und Deutschland unter-
mauert mit empirischen Argumenten die Plausibilität des plurizentrischen Kon-
zepts. Er ging der Frage nach, wie deutsche (n = 102) MuttersprachlerInnen
aus zwei Großregionen, Bayern (n = 57) und Nord-/Mitteldeutschland (n = 45),
und österreichische (n = 115) MuttersprachlerInnen 28 die Verwendungshäu-
figkeit und Standardsprachlichkeit von 36 lexikalischen Items bewerten. Die
36 Items, die in den Quellen „Österreichisches Wörterbuch“, „Wie sagt man in
Österreich?“, „Variantenwörterbuch des Deutschen“ und „Duden – Deutsches
Universalwörterbuch“ als standardsprachlich markiert sind, standen dabei für
die „österreichisch- deutsche“ („Austrian Standard German“, n = 1829) bzw. die
„deutsch- deutsche“ („German Standard German“, n = 1830) geschriebene Stan-
dardsprache. Alle lexikalischen Items wurden in einem schriftlichen Fragebo-
gen in einer durch das Zufallsprinzip ermittelten Abfolge präsentiert und von
den deutschen und österreichischen TeilnehmerInnen auf zwei Likert- Skalen 31
bewertet. In der Auswertung wurden die „Nationalität“ und „regionale Herkunft“
der Befragten und die Lexem- Eigenschaften „Austriazismus“ und „Teutonismus“
(„Deutschlandismus“) berücksichtigt. Die empirisch gewonnenen quantitativen
Daten wurden darüber hinaus statistisch analysiert und auf ihre Signifikanz
überprüft. Als ein Beispiel sei das Wort „heuer“ genannt. Die durchschnittlichen
Bewertungen der österreichischen, bayrischen und nord-/mitteldeutschen Pro-
bandInnen bezüglich der Verwendungshäufigkeit und der Standardsprachlich-
keit von „heuer“ zeigen, dass zwar in der Verwendungshäufigkeit kein großer
Unterschied zwischen ÖsterreicherInnen und Bayern, sehr wohl aber zu den
Nord-/Mitteldeutschen bestand, dass jedoch bei der Standardsprachlichkeit ein
28 Die geographische Einteilung der ProbandInnen erfolgte nach deren jeweiliger Antwort auf
die Frage „Wo sind Sie aufgewachsen?“
29 Marille, Fisolen, Kren, Schmankerl, Kukuruz, Karfiol, Faschiertes, Türschnalle, Sackerl, Schuh-
band, Stiege, Putzerei, Greißler, Realkanzlei, heuer, Wimmerl, Jänner, Gspusi.
30 Aprikose, grüne Bohnen, Meerrettich, Leckerbissen, Mais, Blumenkohl, Hackfleisch, Tür-
klinke, Tüte [z. B. für Essen], Schnürsenkel, Treppe, chemische Reinigung, Lebensmittelhändler,
Immobilienbüro, dieses Jahr, Pickel [im Gesicht], Januar, Liebesverhältnis.
31 Die Skalen umfassten die Werte 1 bis 4. Bei der Frage nach der Verwendungshäufigkeit: 1 =
„Das Wort würde ich beim Schreiben eines Aufsatzes bestimmt nicht verwenden“ und 4 = „Das
Wort würde ich beim Schreiben eines Aufsatzes ohne zu zögern verwenden“; bei der Frage
nach der Standardsprachlichkeit: 1 = „umgangssprachlich/nicht standardsprachlich“ und 4 =
„standardsprachlich“. Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256