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(47 % gegenüber 32 % bezeichnen den Unterschied zwischen ihrem Dialekt und
dem Standard als ‚groß‘, 278). Für Vorarlberg werden „einige deutliche Sonder-
entwicklungen durch die Ausrichtung auf Gesamtösterreich“ festgestellt. Es
gäbe eine positivere Einstellung zum Hochdeutschen: „Im Sprachbewusst-
sein der befragten Vorarlberger/-innen hat die Standardsprache keinesfalls
den Status einer Fremdsprache, wie dies immerhin mehr als ein Drittel der
Schweizer/-innen von sich aussagen“ (a. a. O., 291). Die gemeinsame diskursive
und mediale Öffentlichkeit innerhalb eines Staates und die national organisierte
schulische und mediale Sozialisation sind hier mögliche Erklärungen für diese
unterschiedlichen Spracheinstellungen.
Die Arbeit von Peter (2015) zum Textbewertungsverhalten von SprecherInnen
in Deutschland, Österreich und der Schweiz weist in dieselbe Richtung. Er hatte
jeweils 50 Studierenden der Universitäten Bern, Innsbruck und Siegen Ganztexte
(drei kurze von Studierenden in Innsbruck erstellte Zusammenfassungen von län-
geren populärwissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln) zur Textbewertung und
Korrektur vorgelegt und sie gebeten, sprachliche Auffälligkeiten zu markieren
und in Hinblick auf den Schweregrad der Sprachnormverletzung zu bewerten.
Als Resultat wurde u. a. festgestellt,
dass sich die Normvorstellungen von Sprecherinnen und Sprechern in Österreich,
Deutschland und der Schweiz nicht nur grundsätzlich voneinander unterscheiden,
sondern dass die Normvorstellungen vor allem in Hinblick auf unterschiedliche Ebenen
wie Varietätenwahl, Varietätenprestige oder Normerfüllung jeweils unterschiedlich
ausgeprägt sind (139).
Österreichische, und noch deutlicher Schweizer SprecherInnen zeichneten sich
im Vergleich zu SprecherInnen der bundesdeutschen Varietät durch „eine erhöhte
Sensibilität insbesondere für kleinräumige und formbezogene Phänomene“ aus.
Regula Schmidlin (2011) hat in ihrer Habilitationsschrift untersucht, „inwie-
fern die Plurizentrik der deutschen Standardsprache in den Köpfen der deutsch-
sprachigen Sprecher repräsentiert ist“ (281) und hat dazu 908 Gewährspersonen
(GP) aus allen Regionen des deutschsprachigen Raums mittels Internetfragebogen
befragt. Auch ihr, an mehreren Daten ausgemachter Befund ist, dass Landesgren-
zen als „Variantenloyalitätsgrenze“ für Spracheinstellungen und Sprachloyalität
wichtig sind, und das zeige sich auch an der „binnennationalen Einheit der GP
aus Österreich und Deutschland“ (282). Auch bei der Kenntnis von Varianten
zeige sich „der Effekt der Landesgrenze als kognitive und sich daraus ergebende
sprachpragmatische Grenze“ (282). So hätten GP aus Deutschland- Südost für
den spezifischen Austriazismus keine höheren Kenntnis- und Gebrauchswerte
angegeben als die GP aus den übrigen Regionen Deutschlands. Schließlich würden
auch die GP aus Deutschland- Süd die Varianten mit Geltungsareal Österreich,
Schweiz und Deutschland- Süd als dialektaler einschätzen als die GP aus allen
Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256