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der Registerebenen verwendet das Lehrwerk ausschließlich die Begriffe „Stan-
dardsprache“ und „Mundart“: Für SchülerInnen oder LehrerInnen gibt es dazu
jedoch keine nähere Erläuterung, auch nicht im LehrerInnen- Serviceteil. Die
österreichische Standardvarietät wird nicht erwähnt, auch nicht unter einer ande-
ren Bezeichnung. Zum Umgang mit Varietäten werden in keinem Lehrbuchteil
Vorschläge gemacht.
Was die implizite Abbildung der Varietäten betrifft, kommen in den Lehr-
buchtexten eine Reihe von Austriazismen und Deutschlandismen (und keine
Helvetismen) vor, die bis auf eine Ausnahme unmarkiert und unkommentiert
bleiben. Dies erscheint bei den Austriazismen nicht weiter ungewöhnlich, da
Begriffe wie heuer, Jause, Fasching oder Kasten dem Alltagssprachgebrauch der
Kinder entsprechen und keiner Erklärung bedürfen. Einige Deutschlandismen
jedoch entsprechen nicht unbedingt dem üblichen Sprachgebrauch der Schüler-
Innen, wie z. B. Geschirr von Hand abwaschen, durchgucken oder Nachtisch.
Sämtliche Deutschlandismen werden in den drei Lehrbuchteilen nicht kom-
mentiert oder erläutert. In den Übungsteilen, die der Sprachbetrachtung zuge-
ordnet sind, wäre jedoch Gelegenheit gewesen, die sprachliche Variation der
deutschen Sprache in Österreich im Vergleich zu Deutschland anhand der im
Text vorkommenden Varianten mit einfachen Mitteln spielerisch und exemp-
larisch zu thematisieren, um so erste Schritte zu einem geschärften Sprachbe-
wusstsein zu unternehmen. Das Lehrbuch greift diese Gelegenheiten nicht auf
und klammert die Thematik der staatsspezifischen und regionalen Variation
in der deutschen Sprache aus. An spezifischen und unspezifischen Austriazis-
men finden sich in „Funkelsteine“ z. B.: Fasching, Servus, zwicken, Leibchen,
Sessel, (den Salamander) angreifen (in der Bedeutung von berühren), jausnen,
Schularbeit, Deutsch- Schularbeit, auf Urlaub, Kasten, Lade, Drehsessel, her-
richten, Jause, Topfen, Schlag, dag (Dekagramm), Faschiertes, Zungenzerfitzler,
Gurkerl, fernschauen, Palatschinken, Geschirrspüler, Jausenbrot, Semmel, auf
das Gebäck vergessen, Matura, Adventzeit, Gendarm, Jänner, Weckerl, Turn-
zeug, Sessel, Kaiserschmarren, Brösel. Beispiele für spezifische und unspezifische
Deutschlandismen z. B.: durchgucken, gucken, Mütze, Stühle, zu Bett gehen,
Nachtisch, Gardinen, Spülmaschine, anfassen, Geschirr von Hand abwaschen
oder Imbissstand.
Auch in der Serie „Sprachlichter“ für die 4. Schulstufe findet standardsprach-
liche Variation weder implizit noch explizit Erwähnung. Außerdem ist, wie im
Folgenden näher erläutert wird, im LehrerInnenhandbuch mehrmals von der
Standardsprache die Rede. Als Termini für die Beschreibung der Varietäten finden
sich „Dialekt“, „Mundart“ und (im LehrerInnenhandbuch) „Standardsprache“.
Die SchülerInnen werden dazu aufgefordert, sich mit Dialekt und Mundart aus-
einanderzusetzen („Suche in Büchern oder im Internet ein Gedicht und lies es in
Deinem Dialekt vor! Welche Mundart wird in Deinem Bundesland oder in Deiner
Umgebung gesprochen?“, Basisteil 1, Sprachlichter 4. Schulstufe, S. 77). Und es
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256