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Essays usw. Häufig gibt es zu den AutorInnen dieser Texte aber keine näheren
biographischen Informationen, sodass die SchülerInnen auch bei zeitgenössischen
Texten, die eine Reihe an Deutschlandismen (oder vereinzelt auch Helvetismen)
enthalten, keine Möglichkeit haben, die einzelnen Texte und die darin verwendeten
Varianten einem Land bzw. einer Region oder Varietät zuzuordnen. Auch das Leh-
rerInnenbegleitheft liefert dazu keine weiteren Informationen
– weder in Hinsicht
auf die Biographien der AutorInnen noch in Hinsicht auf die sprachliche Varianz.
Österreichisches Deutsch wird im Kapitel, das sich mit Sprachvarietäten befasst,
nicht thematisiert, ebenso wenig wie deutsches Standarddeutsch oder Schweizer
Standarddeutsch. Der Zugang zur Thematik sprachliche Variation innerhalb der
deutschen Sprache bleibt auf die Einteilung in die Kategorien Dialekt, Umgangs-
sprache, Standardsprache beschränkt. Anhand einer Karte aus dem „Wortatlas
der deutschen Umgangssprachen“ von Jürgen Eichhoff wird versucht, darzu-
stellen, „welche Unterschiede im Wortschatz deutschsprachiger Länder bestehen“
(Sprachbuch „Aktion Sprache 7/8“, S.
140). Die verwendete Karte bildet regionale
Varianz anhand der unterschiedlichen Bezeichnungen für „Frikadelle“ ab. Der
Ansatz der Darstellung sprachlicher Variation entspricht also einem pluriarealen
Zugang. An dieser Stelle hätte eine logische Weiterverfolgung oder Ergänzung des
Themas stattfinden können bis hin zu den standardsprachlichen Unterschieden
im Deutschen auf staatlicher Ebene und die damit in Verbindung stehenden Kon-
zepte der Pluriarealität und Plurizentrizität. Auch die Begriffe „österreichisches
Deutsch“, „deutsches“ und „Schweizer Standarddeutsch“ wären in diesem Kapitel
sinnvoll einzubetten gewesen. Diese Konzeptualisierung findet sich jedoch weder
im Sprachbuch noch im LehrerInnenbegleitheft, obwohl variationslinguistische
Fragen ausführlich dargestellt und die Termini „Varietät“, „Dialekt“, Umgangs-
sprache“ oder „Standardsprache“ abgehandelt werden.
Das Buch verweist auch darauf, dass die weit verbreitete Sichtweise, der länd-
liche oder städtische Dialekt wäre eine minderwertige Varietät einer Sprache
und werde von Personen mit niederem Status gesprochen, der sprachwissen-
schaftlichen Sichtweise widerspricht, „denn aus sprachwissenschaftlicher Sicht
spricht jeder Mensch einen Dialekt, kein Dialekt ist dem anderen überlegen“
(Sprachbuch, S. 141).
In vielen Texten der Lehrbuchserie „Aktion Sprache“ sind spezifische und
unspezifische Austriazismen (Matura, Professor, Schularbeit, heurige, weiters,
Cornerfahne, Maturant, Kasten, Maturaarbeit, maturieren, Aber sehens …, eh,
Fetzendepperte, Pfui gack, bin gestanden, war gegenübergestanden, Grüß Gott,
Mistkübel, sind unterschreiben gewesen, schriftliche Erzählform Perfekt, gnädige
Frau, der Papa, Glasluster, Stutzen), besonders viele spezifische und unspezifi-
sche Deutschlandismen (so ’ne Art, Schlafanzugshosen, Sahnetorte, Mann stürzt
vom Bau, ’ne große Rolle, Flammenmale, auf den Backen, Jungen, ging zum
Schulhof, ADAC-Pannendienst, ein Kasten Bier, Stuhl, Stuhlbein, Erziehungs-
urlaub, Erziehungsurlauber, jemandem ins Gesicht fassen, fegen, Schulranzen,
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256