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wird nicht erwähnt. Dafür wird auf die als „falsch“ bezeichnete Verwendung des
Plusquamperfekts in Deutschland hingewiesen, was immerhin als impliziter Ver-
weis auf die Arealität auf der Nonstandardebene gesehen werden kann: „Zeiten-
folge (Tempusverwendung): Erzählzeit Präteritum
– Vorzeitigkeit Plusquamper-
fekt: In Deutschland wird umgangssprachlich zunehmend das Plusquamperfekt
anstelle des Perfekts verwendet – das ist falsch!“ (Sprachbuch, klar_Deutsch 7/8,
S.
29). Der einzige im Sprachbuch der Serie „klar_Deutsch“ vorkommende unspe-
zifische Deutschlandismus ist das Wort „Anlagen“, an Austriazismen fanden sich:
benützen, Beistrich, AMS, Maturant/in, AMS, Maturazeugnis, Beilagen.
4.4 Zusammenfassung der Lehrwerksanalysen
Bezugnehmend auf die anfangs gestellten Forschungsfragen lässt sich feststellen,
dass in fast allen untersuchten Lehrwerken weder das österreichische Deutsch
noch andere nationale Varietäten der deutschen Sprache explizit thematisiert
werden. Auch das plurizentrische Konzept oder andere Konzepte wie das der
Pluriarealität finden keine Erwähnung. Nur im Sprachbuch der Serie „Treff-
punkt Deutsch“ für die 8. Schulstufe ist einmal die Rede von der österreichischen
Standardsprache; da an anderen Stellen desselben Sprachbuchs aber von der
Existenz nur einer Standardsprache ausgegangen wird, ist nicht anzunehmen,
dass dem Sprachbuch eine plurizentrische Sichtweise zugrunde liegt. Implizit
wird das österreichische Deutsch ein paar Mal erwähnt: Einmal ist vom „ober-
deutschen Sprachraum“ (Arbeitsheft, „Treffpunkt Deutsch“) die Rede, einmal
von „unserem Sprachraum“ (Sprachbuch, „Sprachbuch“). Zur Darstellung des
österreichischen Deutsch findet sich dementsprechend nicht viel: Im Sprach-
buch der Serie „Aktion Sprache“ werden anhand einer Karte lexikalische Unter-
schiede zwischen den deutschsprachigen Ländern skizziert, und im Basisteil
Plus der Serie „Deutschstunde“ gibt es ein Kapitel zum Thema ‚Sprachvergleich
Österreich – Deutschland‘, das jedoch keine sachliche Information bietet und
die Standardebene mit der Dialektebene vermischt.
Normbegriffe wie „sprachrichtig“ und „normgerecht“ kommen in einigen
der analysierten Lehrwerke und LehrerInnenhandbücher ebenso vor wie in den
Lehr- und Studienplänen, und auch hier unkommentiert. Diese Parallelität und
die Intertextualität zwischen diesen Dokumenten fällt auf und ist auch nachvoll-
ziehbar, weil Lehrmittel in Österreich von einer Lehrbuchkommission approbiert
werden müssen, die sich wiederum an den Lehrplänen orientiert.
Was die Verwendung von nationalen Varianten betrifft, ist festzustellen, dass
der Großteil der in den Lehrwerken vorkommenden Austriazismen und Deutsch-
landismen lexikalische Varianten sind – Helvetismen kommen kaum vor. Die
Varianten sind nicht als solche markiert. Woher die VerfasserInnen einzelner Texte
stammen, wird an manchen Stellen expliziert; meist bleibt es für die SchülerInnen
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| Analyse von unterrichtsrelevanten
Dokumenten86
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256