Seite - 123 - in Österreichisches Deutsch macht Schule - Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Bild der Seite - 123 -
Text der Seite - 123 -
die LehrerInnen vor allem hinsichtlich der Wahl der Bezeichnung „österreichi-
sches Deutsch“: Diese fand sich mehr als doppelt so oft bei Universitätsabsolven-
tInnen (27,5 %) wie bei PH-AbsolventInnen (11,1 %). Auch nach dem Alter zeigten
sich deutliche Unterschiede. Je älter die Befragten, umso eher gaben sie „Deutsch“
als Bezeichnung für die Sprache an, die die Mehrheit der ÖsterreicherInnen als
Muttersprache spricht. Wobei hier der Unterschied zwischen der jüngsten und
der ältesten LehrerInnen- Gruppe besonders eklatant ist: 28,6 % bei den jüngsten
und 55,9 % bei den ältesten LehrerInnen- Gruppen wählten bei dieser Frage die
Bezeichnung „Deutsch“. Die jüngsten LehrerInnen gaben mit fast 30 % auch die
Bezeichnung „Dialekt“ an, während dies die beiden ältesten Gruppen überhaupt
nicht gemacht haben (0 %). Die Ergebnisse sind nach Regionen betrachtet zwar
nicht signifikant, aber es zeigt sich doch eine interessante Tendenz: Die Bezeich-
nung „österreichisches Deutsch“ wurde besonders häufig von Befragten aus der
Region Südost gewählt (37 %), die Bezeichnung „Deutsch“ am stärksten in den
westlichen Bundesländern Tirol (69,2 %) sowie in Vorarlberg (71,4 %). Die Werte
für „Deutsch“ liegen in den anderen Teilen Österreichs zwischen 44 % und 51 %:
50 % in der Region Ost, 51,2 % in der Region Mitte und 44,4 % in der Region Süd-
ost. „Österreichisch“ wurde in Tirol und Vorarlberg von niemandem angegeben.
Innerhalb der Gruppe der SchülerInnen zeigten sich bei dieser Frage signi-
fikante Unterschiede danach, in welcher Region sie die Schule besuchen (p =
0,000). Aber auch das Geschlecht (p = 0,004) und die Muttersprache (p = 0,001)
hatten einen Einfluss auf das Antwortverhalten. So nannten am häufigsten (60 %)
SchülerInnen aus dem Osten des Landes „Deutsch“ als die Sprache, die die Mehr-
heit der ÖstereicherInnen als Muttersprache spricht. Tiroler SchülerInnen nann-
ten hingegen „Deutsch“ deutlich weniger oft (41,2 %), auch in Vorarlberg wird
„Deutsch“ nur von 36 % der SchülerInnen genannt. „Deutsch“ ist zwar auch die
von Tiroler und Vorarlberger SchülerInnen die am häufigsten genannte Antwort,
jedoch werden hier deutlich öfter als im Osten „Deutsch mit Dialekt/Mund-
art“ (Tirol: 26,9 %, Vorarlberg: 19,5 %, Osten: 7,2 %) bzw. nur „Dialekt/Mundart“
(Tirol: 16 %, Vorarlberg: 14,6 %, Osten: 2,6 %) genannt. 17,5 % der SchülerInnen aus
Salzburg und Oberösterreich nannten Dialekt bzw. 13,4 % Deutsch mit Dialekt.
Österreichisches Deutsch wird relativ am häufigsten in den östlichen Bundes-
ländern angegeben (13,4 %), gefolgt von Kärnten und der Steiermark (12,9 %). In
den westlichen Bundesländern wird österreichisches Deutsch stärker mit dem
„Dialekt“ assoziiert, der im alltäglichen Sprachgebrauch grundsätzlich eine wich-
tigere Rolle spielt als im Osten, der offensichtlich stärker standardorientiert ist
(siehe Abb. 28 und 29 auf S. 124).
Auch der sprachliche Hintergrund der SchülerInnen spielte eine Rolle: Schüler-
Innen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch geben am häufigsten „Deutsch“
an (62 %), SchülerInnen mit Deutsch als Muttersprache deutlich seltener (47,2 %),
hingegen nannten sie häufiger Dialekt/Mundart (13,6 %) als SchülerInnen mit
nichtdeutscher Muttersprache (5,5 %) (p = 0,001).
Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich
| 123
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256