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hauptsächlich … in Städten heraus, wo die dialektalen Formen a bissl obgschliffen
werden und im Alltags- ah Gebrauch, oder ah (a) gewisse soziale Komponente, (die)
is sicher a damit verknüpft, aber das is wirklich so der Bereich, wo/wo i sogn muass,
jo, wo fängt sie an, wo hört sie auf?
Die angeführten Interviewpassagen bestätigen im Prinzip die Ergebnisse unse-
rer Dokumentenanalyse: Die Vermittlung der sprachlichen Variation ist ein
pädagogisch- didaktisches Problem, weil sprachliche Variation im allgemeinen
und plurizentrische Variation im Besonderen in der LehrerInnenausbildung
zu wenig oder gar nicht thematisiert werden. Schließlich bieten auch die Lehr-
werke, wie deren Analyse gezeigt hat, hier wenig Hilfe und Unterstützung (siehe
Kap. 4.3).
6.1.3 Unterschiede im Deutschen aus der Perspektive
von LehrerInnen und SchülerInnen
Dass Lehrende und SchülerInnen sprachliche Unterschiede zwischen den deutsch-
sprachigen Ländern
– Österreich, Deutschland und Schweiz
– nicht gleicherma-
ßen differenziert wahrnehmen, zeigen die Antworten auf zwei weitere Fragen.
Danach gefragt, ob es ihrer Meinung nach Unterschiede zwischen der deutschen
Sprache in Österreich und in Deutschland gibt, waren sich LehrerInnen und
SchülerInnen über die Existenz solcher Unterschiede zunächst fast vollständig
einig (LehrerInnen 100 %, SchülerInnen 98,2 %, Abb.
31). Gleichermaßen herrschte
weitestgehender Konsens darüber, dass es zwischen der Schweiz und Österreich
ebenfalls sprachliche Unterschiede gibt (LehrerInnen 99,4 %, SchülerInnen 98,7 %).
Auch die Wahrnehmung der Ausspracheunterschiede zwischen Österreich und
Deutschland bzw. Österreich und der Schweiz war unter LehrerInnen und Schüle-
rInnen ähnlich stark ausgeprägt (97 zu 93 % bzw. 99,4 zu 97,6 %).
Wurde jedoch nach Unterschieden im „Wortschatz“, in der „Grammatik“ und
beim „Kommunikationsverhalten in Gesprächen“ (Pragmatik) gefragt, gab es
beim Antwortverhalten der LehrerInnen und SchülerInnen signifikante Diskre-
panzen: Unterschiede in der Lexik zwischen Österreich und Deutschland sahen
fast 90 % der LehrerInnen, aber nur rund 69 % der SchülerInnen (p = 0,000).
Knapp 60 % der LehrerInnen gaben an, dass es grammatikalische Unterschiede
zwischen Österreich und Deutschland gibt, während es unter den SchülerInnen
nur halb so viele waren, nämlich 30 % (p = 0,000). Auch bei der Einschätzung
der Unterschiede im Gesprächsverhalten gab es zwischen den LehrerInnen und
SchülerInnen deutliche Abweichungen: 55,5 % der LehrerInnen meinten, dass es
Unterschiede im Kommunikationsverhalten zwischen ÖsterreicherInnen und
Deutschen gibt. In der Gruppe der SchülerInnen waren nur 46,4 % dieser Ansicht
(p = 0,029).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen132
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256