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Die beiden folgenden Auszüge veranschaulichen auf treffende Weise, dass viele
Lehrende – wie weiter oben bereits angesprochen – ein ambivalentes Verhältnis
zur eigenen Varietät haben, das auch in den Interviews zum Ausdruck kommt:
Sie haben in unserer Untersuchung das deutschländische Deutsch zwar nicht
für überlegen gehalten, aber dennoch gewisse Mängel angesprochen, die dem
österreichischen Deutsch ihrer Ansicht nach anhaften würden. Eine Lehrerin aus
Wien (FW2) meinte, das deutschländische Deutsch sei etwa durch mehr Klarheit
beim Satzbau und der Zeitenverwendung gekennzeichnet:
Das
[…] heißt nicht, dass die Deutschen besser Deutsch sprechen, es kommt manch-
mal ah straffer oder korrekter ah zur Information, da ah hab ich schon den Eindruck,
dass ah ganz allgemein ah gesagt, ah, das österreichische Deutsch ein bisschen – ver-
schachtelter is, ja? Ahm, aber es hat alles seine Berechtigung.
Den angeblich großen Unterschied, den es in punkto Eloquenz zwischen Öster-
reicherInnen und Deutschen gäbe, kommentierte eine Lehrerin aus Niederöster-
reich (FN1) so:
Naja, die Deutschen haben das Glück, dass ihr Dialekt zufällig zur Standardsprache
erklärt worden is. Sog i a meine Schüler. Sie brauchen si net genieren, das is so ein
großer Sprachraum, da gibt’s viele Varietäten und die ostmitteldeutsche is hoit gewählt
worden ois Standardsprache und insofern wirken die Deutschen dann eloquenter
wenn sie des womit sie aufwochsn donn a natürlicherweise onwenden. Und unsaans
klingt immer wie so a Bauer.
6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen
und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile
Zum Vorschein kamen solche stereotypen Einstellungen auch bei den Polari-
tätsprofilen, die zur kontrastiven Einschätzung des mündlichen österreichi-
schen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch erhoben wurden und die
exemplarisch für die Spracheinstellungen der LehrerInnen gegenüber diesen
drei Varietäten des Deutschen waren. Das Deutsch Deutschlands wurde darin
tendenziell als „korrekter“, „gebildeter“ und „direkter“ empfunden. Deutlich
positivere Werte gab es für das österreichische Deutsch bei den Merkmalen
„sympathisch“, „vertraut“, gemütlich“, „melodisch“, „weich“ und „natürlich“. Das
Schweizer Deutsch schnitt durchwegs deutlich schlechter ab als das österreichi-
sche Deutsch. Die befragten LehrerInnen empfanden die Schweizer Varietät
als „langsamer“ und „fremder“. Im Vergleich zum österreichischen und zum
deutschländischen Deutsch kamen Schweizer SprecherInnen als „schlampiger“,
„ungebildeter“ und „unhöflicher“ weg.
Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256