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Dabei zeigte sich, dass die Befragten österreichisches Deutsch als wichtigen
Bestandteil ihrer Identitätskonstruktionen wahrnehmen, auch wenn die Verwen-
dung von Deutschlandismen in bestimmten Kontexten v. a. von den SchülerInnen
eher gelassen gesehen wird. Auch eine gewisse Diskrepanz zwischen der wich-
tigen Bedeutung und der emotionalen Besetztheit des österreichischen Deutsch
für Identitätskonstruktionen (Gruppendiskussion v. a. der LehrerInnen, vgl. auch
de Cillia 1998, 2006, 2015, Wodak/de Cillia 2006), und dem ambivalenten und
widersprüchlichen Umgang mit der eigenen Varietät spiegelt sich in unseren Daten
wider. Im Zusammenhang mit Spracheinstellungen gibt es in der Literatur auch
Hinweise auf eine Exonormorientierung von PädagogInnen bei der Korrektur
von Schülertexten (Ammon 1995, Heinrich 2010, Legenstein 2008). Darauf soll
im folgenden Kapitel näher eingegangen werden.
6.3 Korrekturverhalten
6.3.1 Normen und Korrektur bei schriftlicher Kommunikation
im Deutschunterricht
In der einschlägigen Forschungsliteratur findet sich die Annahme, dass österrei-
chische DeutschlehrerInnen dazu tendieren, exonorm- orientiert zu korrigieren.
Auf das Vorhandensein solcher Asymmetrien zwischen sprachlichen Varietä-
ten haben schon Clyne (1995, 22 f.) und Ammon (1995, 448 ff) hingewiesen. In
Ammons Pilotstudie kam heraus, dass fremdnationale Varianten von den in
seiner Studie befragten LehrerInnen negativer bewertet wurden als eigennatio-
nale Varianten, Deutschlandismen aber insgesamt positiver beurteilt wurden als
Austriazismen oder Helvetismen. Einige DeutschlehrerInnen aus der Schweiz
und aus Österreich korrigierten im Rahmen der Studie eigene nationale Varian-
ten zugunsten gemeindeutscher Alternativen (Ammon 1995, 446, 480). Ammon
(1995, 480) und auch Muhr (1995, 96) führen ein derartiges Korrekturverhalten
darauf zurück, dass die betreffenden Lehrkräfte mit der eigenen Varietät bzw.
den sprachlichen Verhältnissen im eigenen Land nicht vertraut sind, weil das
Thema der nationalen Varietäten in der Ausbildung der DeutschlehrerInnen
keine große Rolle spielt.
Auch Heinrich (2010) kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Obwohl die von ihr
befragten Lehrpersonen angaben, dass das österreichische Deutsch für sie einen
hohen Stellenwert hätte, wurde der in der Erhebung vorgelegte Aufsatz von den
meisten TeilnehmerInnen über weite Strecken hin als umgangssprachlich gewertet.
Auch in Heinrichs Untersuchung war beim Korrigierverhalten der Testpersonen
die Tendenz erkennbar, Austriazismen zugunsten bundesdeutscher Varianten zu
korrigieren. Die vorhandenen Studien legen nahe, dass es einen engen Zusammen-
hang zwischen Sprachwissen, Varietätenbewusstheit und Korrekturverhalten gibt.
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| Ergebnisse der empirischen Erhebung an
Schulen164
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Titel
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Untertitel
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Autoren
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 266
- Schlagwörter
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256